Wie unterscheidet das Immunsystem zwischen harmlosen und pathogenen Darmbakterien?

Um die Gesundheit dauerhaft aufrecht erhalten zu können, muss unser Immunsystem permanent zwischen Freund und Feind unterscheiden können.

Diese Herausforderung ist besonders wichtig im menschlichen Verdauungstrakt, wo Billionen von Bakterien existieren, die mit uns kooperieren und aus diesem Grund auch nicht bekämpft werden sollen. Jetzt hat eine neue Studie erstmals den genauen Mechanismus aufgedeckt, mithilfe dessen die delikate Balance zwischen Aktivierung und Hemmung der Immunantwort aufrecht erhalten wird.

Wie unterscheidet das Immunsystem zwischen harmlosen und pathogenen Darmbakterien?Die Ergebnisse der Studie – ein gemeinsames Projekt von deutschen und italienischen Forschern – wurden in der renommierten Zeitschrift Nature Communications publiziert. Darin wird beschrieben, wie bestimmte Immunzellen darauf trainiert werden können, den Unterschied zwischen Freund und Feind zu erkennen. Die neue Studie bezieht sich dabei auf einen ganz speziellen Typ von Immunzellen, die sogenannten dendritischen Zellen (DCs), die zugleich aktivierende wie hemmende Einflüsse auf das Immunsystem ausüben können.

DCs aktivieren das Immunsystem als Antwort auf eine Infektion, sind aber zugleich auch an dessen gezielter Supprimierung beteiligt. Um die Aktivität des Immunsystems zu unterdrücken, fördern sie die Vermehrung eines weiteren Typs von Immunzellen, der sogenannten regulatorischen T-Zellen (iTregs), die für die Entwicklung der Immuntoleranz zuständig sind. Als Immuninhibitoren im Darmtrakt helfen die DCs dem Immunsystem dabei, die Darmflora eher als Freund denn als Feind zu behandeln. Dies tun sie, indem sie Oberflächenproteine der Darmbakterien aufnehmen und an die Lymphknoten weiterleiten, die sich im Verdauungstrakt befinden.

Während ihrer Wanderung zu den Lymphknoten zerlegen die DCs die aufgenommenen Proteine der guten Darmbakterien in kleinere Stücke, die somit wie „Namensschilder“ auf der Oberfläche der Bakterien wirken. Diese Namensschilder werden mittels spezieller Bindungsproteine von den iTregs erkannt, mit dem Ergebnis, dass gegen Träger dieser Proteine keine Immunreaktionen erfolgen.

In den Worten von Prof. Brocker, dem Leiter der Untersuchung: „Wir glauben, dass diese iTregs typisch sind für die Proteine, die von der natürlichen Darmflora produziert werden.“ Des Weiteren fand man heraus, dass die Wanderung von ganz speziellen DCs, nämlich jener mit dem Oberflächenprotein CD103+, eine wichtige Rolle dabei spielt, das Immunsystem über die Zusammensetzung der Darmflora auf dem Laufenden zu halten.

Dendritische Zellen verfügen auch über einen ‚Alarmknopf‘

Die Forscher wollten jedoch auch herausfinden, wie dieser Toleranzmechanismus in sein genaues Gegenteil, die Alarmfunktion umgeschaltet werden kann. Ihre Bemühungen führten sie zu einem weiteren wichtigen Molekül, das DCs auf ihrer Oberfläche präsentieren. Dieses, genannt CD40, verhält sich wie eine Art Alarmknopf. Wird dieser aktiviert, dann bindet CD40 an ein Partnermolekül auf einem weiteren Typ von T-Zellen, den effektorischen T-Zellen, die für die Aktivierung der Immunantwort zuständig sind. Dendritische Zellen können somit zugleich als Inhibitoren wie als Promoter des Immunsystems auftreten.

In Tests mit Mäusen, bei denen der CD40-Schalter permanent aktiviert war, konnten die Forscher zeigen, dass diese eine schwere Colitis entwickelten. Sie entdeckten, dass die davon betroffenen DCs zwar noch zu den Lymphknoten wandern, dort aber einem programmierten Zelltod (Apoptosis) unterliegen und auf diese Weise keine Möglichkeit mehr haben, den regulatorischen T-Zellen die mittransportierten Namensschilder zu präsentieren, damit diese eine Immunreaktion auf die Darmflora unterdrücken können.

Das Ergebnis ist eine generalisierte Immunantwort, bei der T-Zellen zum Darmepithel wandern und dort eine chronische Entzündung auslösen. Dies zeigt, dass die Interaktion zwischen CD103-positiven dendritischen Zellen und regulatorischen T-Zellen essentiell ist für die Aufrechterhaltung eines ausgewogenen immunologischen Gleichgewichts im Darm.

In einem weiteren Forschungsprojekt soll als Nächstes geklärt werden, welche speziellen regulatorischen T-Zellen auf welche Darmbakterien programmiert werden.

QUELLE: http://www.medicalnewstoday.com/articles/316335.php

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