Vererbbares Übergewicht?

Edmonton/Alberta – Kinder von übergewichtigen oder adipösen Müttern haben ein deutlich erhöhtes Risiko, später selbst übergewichtig zu werden. Eine Studie in JAMA Pediatrics (2018; doi: 10.1001/jamapediatrics.2017.5535) bringt dies mit einem Kaiser­schnitt und bestimmten Darmbakterien in Verbindung, die nach der Geburt den Darm des Kindes besiedeln.

Dass Gewichtsprobleme häufig von der Mutter auf ihre Kinder übertragen werden, ist bereits in früheren Studien aufgefallen. Bei den 935 Mutter-Kind-Paaren der CHILD-Kohorte (Canadian Healthy Infant Longitudinal Development) war der Zusammenhang besonders ausgeprägt, wobei die Art der Geburt einen gewissen Einfluss hatte.

Die Kinder waren im Alter von 3 Jahren dreimal häufiger übergewichtig, wenn sie vaginal von Müttern entbunden worden waren, die vor der Schwangerschaft über­gewichtig oder adipös waren. Ein Team um Anita Kozyrskyj von der Universität der kanadischen Provinz Alberta in Edmonton ermittelt eine Odds Ratio von 3,07, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 1,58 bis 5,96 signifikant war.

Vererbbares Übergewicht?

Nach einem Kaiserschnitt war das Risiko, dass die Kinder die Gewichtsprobleme ihrer Mutter „geerbt“ hatten, sogar mehr als fünffach erhöht (Odds Ratio 5,55; 2,55-12,04). Die Vergleichsgruppe bestand in beiden Fällen aus Kindern von normalgewichtigen Müttern, die während der Entbindung keine Antibiotika erhalten hatten.

Der Verzicht auf Antibiotika könnte von Bedeutung sein, da sie die Darmflora der Mutter verändern, die nach der Geburt möglicherweise die Darmflora bei ihrem Kind beeinflusst. Kozyrskyj hatte in einer früheren Untersuchung herausgefunden, dass ein Kaiserschnitt die Entwicklung der Darmflora in den ersten Lebensmonaten stören kann.

Die Forscher haben deshalb untersucht, ob Übergewicht oder Adipositas der Mutter beziehungsweise die Art der Entbindung einen Einfluss auf die Darmflora der Kinder hatte, die im Alter von 3,7 Monaten untersucht wurde. Beides war der Fall: In Stuhlproben von vaginal entbundenen Kindern übergewichtiger/adipöser Mütter wurden vermehrt Bacteroides, Megasphaera, Blautia und Oscillospira gefunden, während Haemophilus und Veillonella vermindert waren. Nach einem ungeplanten Kaiserschnitt fiel vor allem die Vermehrung von Lachnospiraceae auf, die deutlich häufiger den Darm besiedelten als bei den Kindern normalgewichtiger Mütter.

Die Lachnospiraceae gehören zu den Firmicutes-Bakterien. Dieser Stamm ist dafür bekannt, dass er kurzkettige Fettsäuren freisetzt. Diese Fettsäuren könnten vom Darm der Säuglinge aufgenommen und das Übergewicht gefördert haben.

Bei den vaginal entbundenen Kinder übergewichtiger/adipöser Mütter haben die Forscher Bakterien gefunden, wie sie typischerweise im Darm von adipösen Erwachsenen vorkommen.

Die Beweiskette, die Kozyrskyj vorstellt, ist nicht ganz lückenlos. Giulia Paolella von der Universität Mailand und Pietro Vajro von der Universität Salerno vermissen eine Untersuchung der Darmflora (oder der auch der Vagina oder der Haut) bei den Müttern. So bleibt unklar, ob Mütter und Kinder wirklich die gleichen Bakterien im Darm hatten. © rme/aerzteblatt.de

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