Probiotika: nachhaltige Hilfe bei Schlafstörungen

PD Mag. Dr. Ingeborg Klymiuk

Probiotika-Einsatz bei Schlafstörungen

Ausreichend Schlaf in Hinblick auf Menge und Qualität ist von grundlegender Bedeutung – sowohl für unser Wohlbefinden bzw. unsere Leistungsfähigkeit als auch für viele Aspekte der menschlichen Gesundheit. Chronischer Schlafmangel, wie er bei nahezu 50 % der westlichen Bevölkerung aufgrund von Lebensweise, beruflicher Belastung, sozialen Faktoren, Sorgen und Ängsten, psychischen Problemen, Medikamentennebenwirkungen oder vielen anderen Faktoren vorkommt, verursacht oder begünstigt die Entstehung von Erkrankungen.

Unter langfristigem Schlafmangel steigt das Risiko dramatisch, Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Probleme, Adipositas oder Bluthochdruck zu entwickeln. Die Steuerung des zirkadianen Rhythmus und damit des Schlafes erfolgt durch komplexe Mechanismen, die von endogenen Hormonen, Helldunkel-Phasen, aber auch der Darm-Hirn-Achse reguliert werden. Probiotika sind in der Lage, über die Darm-Hirn-Achse zum Beispiel durch die Regulation einer intestinalen Dysbiose auf den Schlaf zu wirken.

Der zirkadiane Rhythmus

Die unterschiedlichen Phasen der Lichtintensität durch den Wechsel von Tag und Nacht, denen wir im Laufe von 24 Stunden ausgesetzt sind, justieren ständig ein Zentrum im Hypothalamus, eine Region in unserem Gehirn. Informationen von diesem übergeordneten Schrittmacher werden durch die Produktion von Hormonen und anderen Botenstoffen an untergeordnete Zentren weitergegeben und so die Uhren im gesamten Körper synchronisiert. Wird dieser Rhythmus durch Nachtarbeit, Jetlag, asynchrone Nahrungsaufnahme oder eine dysbiotische Darmbesiedelung gestört, leiden unser Schlaf, unsere Gesundheit und unser Mikrobiom.

Die Darm-Hirn-Achse und die Rolle des Mikrobioms

Seit rund einem halben Jahrzehnt steht die Beforschung der Darm-Hirn-Achse im Fokus der Wissenschaft. Heute kennen wir drei große „Säulen“, über die der Darm mit all seinen Bakterien und anderen Mikroorganismen mit dem Gehirn bilateral kommuniziert. Der Vagusnerv ist – als erste Säule – ein direkter Vermittler über zuleitende und ableitende neuronale Bahnen. Bei der Informationsübertragung spielen Neurotransmitter (z. B. GABA und Serotonin) eine Rolle, die direkt von bestimmten Bakterien gebildet werden können. Die zweite Säule ist das Immunsystem. Neuroinflammation beeinflusst die Diversität und Zusammensetzung des Darmmikrobioms. Mikroorganismen im Darm regulieren wiederum die Entwicklung und Reifung von Immunzellen bis hin zu spezialisierten Verteidigungszellen (Mikroglia) im Gehirn. Als dritte Säule beeinflussen neuroendokrine Hormone die Lebensgemeinschaft in unserem Verdauungstrakt. Im Gegenzug wirken bakterielle Metaboliten (Stoffwechselprodukte) direkt oder als Vorstufen auf die Genexpression und Hormonproduktion im Menschen. Forscher konnten kürzlich in einem Modell den Einfluss präbiotischer Substanzen auf den zirkadianen Rhythmus zeigen. Aus der Verabreichung eines Flavonoids (Pflanzenstoff) über die Nahrung resultierte die Veränderung sowohl der mikrobiellen Zusammensetzung als auch der Stoffwechselprodukte, die Mikroorganismen herstellen. Der zirkadiane Rhythmus, der bei den Tieren zuvor gestört gewesen war, normalisierte sich.

Probiotika: nachhaltige Hilfe bei Schlafstörungen

Abhängig davon, mit was wir unsere Bakterien „füttern“, haben ihre Stoffwechselprodukte einen gesundheitsfördernden Einfluss auf uns. Zahlreiche Studien untersuchten bisher die bilaterale Beziehung zwischen bakterieller Zusammensetzung und dem Schlaf bzw. der Wirkung chronischen Schlafmangels auf die bakterielle Besiedelung. Die Resultate aus diesen Forschungsarbeiten lieferten uns Erkenntnisse, dank welcher wir heute wissen, dass mikrobielle Störungen im Darm die Durchlässigkeit der Darmbarriere erhöhen und chronische Entzündungen auslösen. Durch die aktive Kommunikation über die beschriebenen Wege mit dem Gehirn wird der Schlaf negativ beeinflusst.

Das Mikrobiom stellt für die Zukunft ein wichtiges therapeutisches Ziel bei chronischen Schlafstörungen dar.

Wissenschaftler konnten in einer Studie, bei der Probanden über vier Wochen ein Multispeziesprobiotikum einnahmen, zeigen, dass das Probiotikum einen positiven Einfluss auf die Gedächtnisleistung hatte, negative Stimmungen und Angstgefühle seltener auftraten und sich die Aktivität in bestimmten Gehirnarealen veränderte. In einer weiteren Studie nahmen fast 10.000 Teilnehmer, die während der Coronapandemie besonderem Stress ausgesetzt waren, über zwei Wochen täglich ebenfalls ein Multispeziesprobiotikum ein. Die Forschenden konnten signifikante Verbesserungen der Schlafqualität, Vitalität, psychischen Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Stressresistenz erkennen (s. Abbildung).

Zu guter Letzt belegen die neuesten Ergebnisse klinischer Studien, dass Darm und Gehirn in komplexem, ständigem Austausch miteinander stehen. Störungen auf einer der beiden Seiten bringen das Gefüge aus dem Gleichgewicht. Die Einnahme eines hochwirksamen, medizinisch relevanten Probiotikums beeinflusst nachweislich die Gehirnaktivität. Schon durch eine Einnahme über zwei Wochen wird die Schlafqualität positiv beeinflusst. Das Mikrobiom stellt für die Zukunft ein wichtiges therapeutisches Ziel bei chronischen Schlafstörungen dar. Der Einsatz medizinisch relevanter, hochqualitativer Probiotika ist ein wirksames Mittel zur therapeutischen Intervention, um auch Kosten durch entstehende Folgeerkrankungen für das Gesundheitssystem nachhaltig zu reduzieren.

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