Probiotika bei Parkinson

Prim. Dr. Martin Heine Vorstand der Abteilung für Neurologie am Landeskrankenhaus Feldbach/Fürstenfeld

Prim. Dr. Martin Heine Vorstand der Abteilung für Neurologie am Landeskrankenhaus Feldbach/Fürstenfeld

Parkinson zählt zu den häufigsten neurologischen Krankheiten und betrifft 1-3% aller 60-65-Jährigen. Neben Verlangsamung der Bewegung gehören auch Muskelsteifigkeit und Zittern zu den Hauptsymptomen. Viele Patienten leiden zudem unter Verdauungsstörungen, speziell unter Obstipation, die nicht nur die Aufnahme der Medikamente, sondern vor allem auch die Lebensqualität der Betroffenen enorm beeinträchtigt.

Das Risiko, am Parkinson-Syndrom zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter signifikant. Aufgrund der Tatsache, dass wir Menschen immer älter werden, nimmt somit auch die Anzahl der Parkinson-Patienten stetig zu. Das typische Erkrankungsalter liegt zwischen 50 und 70 Jahren, allerdings sind rund 5% der Patienten auch jünger als 40 Jahre. Nach den Ursachen wird noch geforscht, unter anderem werden genetische Veranlagungen (z. B. gestörter Stoffwechsel, gestörte Entgiftung) sowie Umwelteinflüsse (z. B. Pestizide) mit Parkinson in Verbindung gebracht, und zu 5% ist die Krankheit direkt vererbt.

Zu wenig Dopamin

Der Ausgangspunkt der Erkrankung liegt in der sogenannten „schwarzen Substanz“ (Substantia nigra) im Mittelhirn. In diesem Areal befinden sich spezielle Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren – und dieser ist zentral an der Steuerung von Bewegungen beteiligt. Wenn diese dopaminproduzierenden Nervenzellen absterben, kommt es zu einem Mangel an diesem Botenstoff, und das ist die Hauptursache für die Parkinson-Erkrankung. Der Mangel an diesem „Bewegungsbotenstoff“ zeigt sich deutlich an den Hauptsymptomen der Krankheit: Bewegungsverlangsamungen (Bradykinese), Muskelsteifigkeit (Rigor), Zittern (Tremor; wobei dieses Symptom vor allem dann auftritt, wenn sich der Patient nicht bewegt), Gleichgewichtsstörungen sowie Einschränkungen in der Mimik. Diese Hauptsymptome werden jedoch erst sichtbar, wenn bereits etwa 60-70% der dopaminproduzierenden Zellen abgestorben sind.

Darm-Leber-HirnachseDer Darm als Krankheitszentrum?

Oft treten jedoch bereits mehrere Jahre vor diesen motorischen Störungen unspezifische Symptome wie Rücken- und Schulterschmerzen, eine Veränderung des Schriftbilds, Kreislaufregulationsstörungen, Geruchsbeeinträchtigungen und Verstopfung auf. Im Darm lassen sich erste Zeichen für den Mb. Parkinson früh erkennen, wenn man gezielt danach sucht: Bei Patienten, bei denen Parkinson bereits in einem frühen Stadium diagnostiziert wurde, konnte man im Nervensystem der Darmwand ein bestimmtes Protein nachweisen: Dieses sogenannte Alpha-Synuklein ist dafür verantwortlich, dass die dopaminproduzierenden Nervenzellen absterben. Bei Parkinson-Patienten kann man außerdem eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora nachweisen.

Diese Erkenntnisse zeigen klar, dass das „Darm-Hirn“, das sogenannte enterale Nervensystem, und die Darm-Hirn-Achse für die Entstehung von Parkinson vermutlich eine zentrale Bedeutung haben.

Auch die Verdauung wird langsamer

Störungen im Verdauungstrakt zählen neben den Bewegungseinschränkungen zu den häufigsten Symptomen von Parkinson-Patienten, wobei viele Betroffene auch bereits vor ihrer Diagnose über Verstopfung oder Völlegefühl klagen (wobei natürlich nicht jede Person, die an Verdauungsstörungen leidet, automatisch an Parkinson erkrankt). Diese Beschwerden sind darauf zurückzuführen, dass sich einerseits die Bewegung jener Muskeln verlangsamt, welche die aufgenommene Nahrung durch Magen und Darm schleusen, und es andererseits nicht nur im Gehirn, sondern auch im Darm zum Verlust bestimmter Nervenzellen kommt, welche die Darmfunktion steuern. Überdies löst eine Vielzahl an Parkinson-Medikamenten Verstopfung aus und verstärkt so bestehende Symptome. Diese schwere Störung der Verdauung bedeutet eine hohe Belastung für die Patienten und schränkt deren Lebensqualität zusätzlich ein.

Probiotika bei Parkinson-Patienten

Unter der Einnahme des Multispezies-Probiotikums konnte die Häufigkeit des Stuhlgangs erhöht werden, und vor allem die Passagezeit durch den Darm und die Konsistenz des Stuhls wurden verbessert (von Typ 1-2 (= Verstopfung) auf Typ 3-4 (= Idealstuhl).

Unter der Einnahme des Multispezies-Probiotikums konnte die Häufigkeit des Stuhlgangs erhöht werden, und vor allem die Passagezeit durch den Darm und die Konsistenz des Stuhls wurden verbessert (von Typ 1-2 (= Verstopfung) auf Typ 3-4 (= Idealstuhl).

Vor diesem Hintergrund wurde von Primar Dr. Martin Heine, Leiter der Abteilung für Neurologie am LKH Feldbach/Fürstenfeld, eine Pilot-Studie durchgeführt: Es wurde untersucht, welche Auswirkungen die 8-wöchige Einnahme eines speziellen Multispezies-Probiotikums auf die Verdauung (Verstopfungssymptomatik) und die Motorik von Parkinson-Patienten hat.

Als Ergebnis zeigte sich, dass die Stuhlfrequenz unter der Gabe des Probiotikums deutlich gesteigert war, und insbesondere die Form und die Beschaffenheit des Stuhls verbesserten sich eindeutig: Vor Beginn der Probiotika-Therapie deutete die Konsistenz des Stuhls klar auf Verstopfung hin (gemessen anhand der Bristol-Stuhlformen-Skala). Nach der 8-wöchigen Probiotika-Einnahme wiesen die Patienten einen „Idealstuhl“ auf. Besonders positiv wurde auch bemerkt, dass die Parkinson-Patienten keine unerwünschten Reaktionen wie Durchfall oder Blähungen zeigten, wie sie bei klassischen Abführmitteln häufig auftreten.

Darmbakterien als zukünftige Therapie für Parkinson?

Um über die gezielte Modulation der Darmflora künftig Parkinson behandeln zu können, bedarf es allerdings noch zahlreicher weiterer Untersuchungen und Langzeitstudien, aber vor allem solcher Kriterien, die eine frühzeitige Erkennung von Risikopatienten für die Entwicklung von Parkinson zulassen. Dann könnte mit einer probiotischen Behandlung gezielt auf die Darm-Hirn-Achse eingewirkt werden, um so das Fortschreiten der Krankheit zu verzögern oder vielleicht sogar deren Entwicklung zu verhindern.

Bristol-Stool-SkalaBristol-Stuhlformen-Skala

Auf der Bristol-Stuhlformen-Skala erhält man einen Überblick über Form und Beschaffenheit des menschlichen Stuhls, um die Dauer der Darmpassage beurteilen zu können (Typ 1: bis zu 100 Stunden, Verstopfung; Typ 7: etwa 10 Stunden, Durchfall; Typ 3-4: Idealstuhl)

 

 

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