Dr. Adolf Heschl
Wie Probiotika gegen Mundgeruch helfen können
Halitosis, umgangssprachlich als „Mundgeruch“ bekannt, wird typischerweise als ein unangenehmer Geruch definiert, der aus der Mundhöhle austritt. Mundgeruch ist die dritthäufigste Erkrankung von Patienten, die zum Zahnarzt überwiesen werden, und liegt hier an 3. Stelle gleich hinter Karies und Zahnfleischschwund (Parodontitis). Epidemiologischen Studien zufolge liegt die durchschnittliche Prävalenz von Mundgeruch in der westlichen Bevölkerung zwischen 25 und 50% .
Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach sozialen Interaktionen und messen dabei ihrem persönlichen Image in der heutigen Gesellschaft eine zunehmende Bedeutung bei. Mundgeruch hat erhebliche Auswirkungen auf die tägliche Arbeit und die sozialen Aktivitäten der davon betroffenen Menschen und kann dadurch sogar zu psychischen Problemen wie Angstzuständen, Depressionen und sozialer Isolation führen. Klinisch betrachtet wird Mundgeruch in echten Mundgeruch, Pseudo-Halitosis und Halitophobie, der Angst vor Mundgeruch, kategorisiert. Die beiden letztgenannten Typen beziehen sich auf psychische Erkrankungen. Nur echter Mundgeruch wird durch pathologische und physiologische Faktoren verursacht. Er umfasst intraoralen Mundgeruch sowie extraoralen Mundgeruch, wobei ersterer 80–90 % der Fälle ausmacht. Der wichtigste ätiologische, d.h. krankmachende Faktor beim echten Mundgeruch sind die flüchtigen Schwefelverbindungen (VSC: volatile sulfur components), die von oralen Bakterien über komplexe Mikroben-Substrat- und Mikroben-Mikroben-Wechselwirkungen produziert werden sowie über Fäulnisprozesse von organischen Substraten in der Mundhöhle, ausgelöst durch mangelnde Mundhygiene, Zungenbelag und Parodontitis.
Insbesondere Schwefelwasserstoff (H2S), Methylmercaptan (CH3SH) und Dimethylsulfid (C2H6S) gelten als charakteristische Parameter und Marker für Mundgeruch. Heute weiß man, dass Mikroorganismen wie Fusobacterium nucleatum, Porphyromonas gingivalis, Prevotella intermedia, Prevotella nigrescens und Treponema denticola nachweislich an der Entstehung von Zahnfleischerkrankungen beteiligt sind und dadurch die Produktion von Schwefelverbindungen fördern. Einige Studien, die Gensequenzierungen und Metabolomanalysen miteinander kombinierten, fanden heraus, dass sich die bakterielle Zusammensetzung, Diversität und metabolische Aktivität der Mundgeruch-Gruppe deutlich von jener der Kontrollgruppe unterschied. Bei all dem scheint das anaerobe Milieu im Mund eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Mundgeruch zu spielen. Aus diesem Grund sollte es möglich sein, über die Wiederherstellung des bakteriellen Gleichgewichts zwischen aeroben und anaeroben Keimen in der Zusammensetzung des oralen Mikrobioms zur Reduzierung des VSC-Spiegels und damit der Behandlung von Mundgeruch beizutragen.
Die aktuellen Behandlungen von Mundgeruch umfassen sowohl die mechanische Reinigung (Zahnsteinentfernung und Abschaben der Zunge) wie medikamentöse Therapieansätze (Antibiotika und Mundspülungen). Die mechanische Therapie ist jedoch oft unbequem, selbst wenn sie von einem Zahnarzt durchgeführt wird. Aber auch die medikamentöse Therapie ist, obwohl im Allgemeinen nur für kurze Zeit eingesetzt, meist mit einer Reihe von unangenehmen Nebenwirkungen verbunden, darunter das Auftreten einer bakteriellen Fehlbesiedlung (Dysbakteriose) und Verfärbungen von Zunge und Zähnen. Folglich versucht man, ständig neue Methoden mit weniger Nebenwirkungen zu entwickeln, um damit Mundgeruch wirksam behandeln zu können. Ein ganz neuer Therapieansatz macht sich seit kurzem die positiven Wirkungen von ausgewählten „guten“ = probiotischen Bakterien zunutze. Als lebende Mikroorganismen können diese dem Wirt signifikante Vorteile verleihen, wenn sie in angemessenen Mengen verabreicht werden. Ihre vorteilhaften Wirkungen beziehen sich dabei in erster Linie auf die Beeinflussung der lokalen Mikroumgebung und damit Verhinderung der Adhäsion von Krankheitserregern und die Hemmung von deren Wachstum durch die Sekretion von Bacteriocinen.
Seit kurzem werden so Probiotika wie Lactobacillus reuteri und Bifidobakterien auch im oralen Bereich vermehrt eingesetzt. Es gibt sogar von Jahr zu Jahr immer mehr Beweise dafür, dass eine kontinuierliche Verabreichung von probiotischen Keimen die Zusammensetzung des oralen Biofilms markant positiv beeinflusst. Probiotika wurden deswegen auch schon bei der Behandlung parodontaler und periimplantärer Erkrankungen, von Karies, oraler Kandidose („Soor“) sowie oraler Mukositis, die oft Nebenwirkung einer Radiochemotherapie ist, erfolgreich eingesetzt. Inzwischen wurde aber auch bereits über Probiotika als alternative Strategie zur Linderung von Mundgeruch berichtet. Eine 2019 publizierte, erste systematische Übersichtsarbeit zeigte jedoch, dass die probiotische Behandlung von Mundgeruch bis dahin noch mit unzureichender Evidenz für eine konkrete Empfehlung verbunden war. Daraus entstand die Notwendigkeit, eine fokussierte Analyse der therapeutischen Wirkung von Probiotika bei der Behandlung von Mundgeruch durchzuführen. Eine 3 Jahre später durchgeführte systematische Überprüfung aller bislang existierenden Studien zu diesem Thema ergab dabei, dass bereits bewährte Probiotika wie Lactobacillus salivarius, Lactobacillus reuteri, Streptococcus salivarius und Weissella cibaria Mundgeruch tatsächlich lindern können, indem sie die Konzentration von übelriechenden Schwefelverbindungen zumindest kurzfristig reduzieren, aber es fand sich auch dann noch keine dauerhafte Wirkung auf die Hauptursache von Mundgeruch, nämlich Plaquebildung und Zungenbelag.
Als möglicherweise vielversprechende Ausnahme von dieser Einschränkung hat sich allerdings schon davor, wenn auch bislang nur im Labor, ein Bakterienstamm mit der Bezeichnung Streptococcus salivarius K12 herausgestellt. Dieses probiotische Bakterium unterdrückt mithilfe von aktiv sezernierten toxischen Bacteriocinen wie kein anderes die Vermehrung von Porphyromonas gingivalis, einem der Hauptverursacher von biofilmartigen Plaques in den tieferen, anaeroben Zahnfleischtaschen des Mundraums, wo auch die mit Abstand größten Mengen an gasförmigen Schwefelverbindungen produziert werden. Der Beweis: kultiviert man im Labor beide Spezies gemeinsam (rechtes Bild) auf einer dafür vorbereiteten, speziellen Kulturplatte (BHI), so nimmt die Zahl der pathogenen Gingivalis-Keimen im Vergleich zur Einzelkultur des Erregers (linkes Bild) deutlich und dauerhaft ab:
Ziel zukünftiger Forschungen auf diesem Gebiet wird es also sein, die nachweislich positiven Effekte von S. salivarius K12 auf das orale Mikrobiom auf möglichst breiter Front in die alltägliche klinische Praxis umzusetzen. Die ersten Schritte dafür sind getan und weitere werden folgen, um dem unangenehmen sozialen Störfaktor Mundgeruch endgültig den Nimbus der Unbehandelbarkeit zu nehmen. Profitieren wird davon in jedem Fall auch die allgemeine Gesundheit unserer Zähne, die hoffentlich bald wieder für jedermann und jedefrau in ihrem aller schönsten Weiß erstrahlen werden können.
Quellen:
Bosy, A. (1997). Oral malodor: philosophical and practical aspects. J Can Dent Assoc, 63(3), 196-201.
Yoo, J. I., Shin, I. S., Jeon, J. G., Yang, Y. M., Kim, J. G., & Lee, D. W. (2019). The Effect of Probiotics on Halitosis: a Systematic Review and Meta-analysis. Probiotics Antimicrob Proteins, 11(1), 150-157.
Huang, N., Li, J., Qiao, X., Wu, Y., Liu, Y., Wu, C., & Li, L. (2022). Efficacy of probiotics in the management of halitosis: a systematic review and meta-analysis. BMJ Open, 12(12), e060753.
Yoo, H. J., Jwa, S. K., Kim, D. H., & Ji, Y. J. (2020). Inhibitory effect of Streptococcus salivarius K12 and M18 on halitosis in vitro. Clin Exp Dent Res, 6(2), 207-214.