Leaky Gut - wenn der Darm durchlässig ist

Dr.med.scient. Verena Stiegelbauer, MSc. BSc.

Leaky Gut – der „löchrige“ Darm

Das Leaky-Gut-Syndrom wird immer wieder mit anderen Erkrankungen in Verbindung gebracht, ein Beispiel dafür sind Autoimmunerkrankungen. Wissenschaftler beschäftigen sich schon länger damit, welche Rolle das Leaky Gut bei der Entstehung von Krankheiten hat und inwiefern es unser Mikrobiom beeinflusst.

Die Darmbarriere als Schutzfunktion

Der Darm weist durch seine enorme Gesamtoberfläche viele Angriffspunkt für krankheitserregende Mikroorganismen auf. Als Schutz und zur Abwehr dient dem Körper die sogenannte Darmbarriere, welche aus der gesunden Darmflora des Dickdarms, der Darmschleimhaut und des im Darm sitzenden Immunsystems besteht. Die Darmflora hat die Aufgabe gesundheitsschädliche Keime zu verdrängen. Bestimme Bakterien sind in der Lage Substanzen zu produzieren, die das Wachstum von körperfremden Bakterien unterdrücken. Unsere Darmbakterien sind zudem für die Regulation der Schutzfunktion der Darmschleimhaut und des darmeigenen Immunsystems zuständig. Die Darmschleimhaut ist besonders dicht aufgebaut und, wie der Name schon sagt, von einer Schleimschicht umgeben, welche das Eindringen von schädlichen Keimen verhindern soll.

Wie wirken sich negative Veränderungen der Darmflora auf die Darmbarriere aus?

Als Dysbiose bezeichnet man eine Veränderung der Darmflora, die mit krankhaften und häufig entzündlichen Symptomen verbunden ist. Die Ursachen einer Dysbiose sind sehr vielfältig.

Auslöser können unter anderem sein:

  • Medikamente (z.B. Antibiotika)
  • Entzündungen
  • Überwucherung mit krankheitserregenden Keimen
  • Ernährung,
  • Genussmittel,
  • Stress
  • Wechselwirkungen mit dem Immun-, Nerven- und Hormonsystem

Eine gestörte Darmflora macht sich zunächst mit Symptomen wie Aufstoßen, Blähungen, übelriechendem Stuhl oder Darmkrämpfen bemerkbar. Es kommt zu einem Ungleichgewicht von gesunden und schädlichen Darmbakterien. Krankheitserregende Bakterien können sich bei entsprechenden Veränderungen des Milieus massiv vermehren und die gesunden Darmbakterien verdrängen. Dies führt schon nach kurzer Zeit zu Entzündungen und in Folge zu einem sogenannten „löchrigen Darm“ („Leaky Gut“-Syndrom).

Was ist ein Leaky Gut (= „löchriger Darm“)?

Unter dem Begriff „Leaky-Gut-Syndrom“ versteht man eine vermehrte Durchlässigkeit der Darmwand, welche eine unerlässliche Barriere zwischen dem Wirtsorganismus und seiner Außenwelt darstellt. Dadurch verändert sich die Schleimschicht an der Darmoberfläche, viele Bakterien sterben einfach ab. Nun werden spezielle Stress- und Entzündungsbotenstoffe gebildet, welche die darunter liegende Darmzellschicht zerstören. Alle mit der Nahrung in den Körper gelangenden, giftigen Stoffe werden nun nicht mehr einfach mit dem Stuhl ausgeschieden, sondern können ungehindert in die darunterliegenden Blut- und Nervenbahnen eindringen und zu entsprechenden Veränderungen und Erkrankungen führen. Neben einer ausgewogenen mikrobiellen Besiedlung des Darms sowie einer ausreichenden Bildung von Mukosaschleim und Eiweißen des Immunsystems ist eine intakte Darmschleimhaut unabdingbare für die Abwehr von Krankheitserregern und zur Verhinderung des Durchtritts unerwünschter Substanzen durch die Darmwand.

Vergleich einer intakten Darmbarriere mit einem Leaky Gut

Vergleich einer intakten Darmbarriere mit einem „löchrigen Darm“

Entstehung des Leaky-Gut-Syndroms

Infolge des Leaky-Gut-Syndrom wird die Barrierefunktion der Darmschleimhaut beeinträchtigt und es kommt zu einem vermehrten Übertritt unerwünschter Stoffe in den Blutkreislauf. Hierbei kann es sich, wie bereits erwähnt, um krankheitserregende Keime, Schadstoffe oder auch große Moleküle aus der Nahrung handeln (Abbildung 2). Dabei werden zunächst im Darm inadäquate Antworten des Immunsystems auf diese Stoffe und Keime ausgelöst, welche unter anderem allergische Reaktionen auf diese Stoffe und Moleküle entstehen lassen. Allem voran entstehen Entzündungen der Darmschleimhaut und beispielsweise Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Basierend auf diesen Veränderungen kommt es in weiterer Folge zu chronischen Entzündungsprozessen, was zu Autoimmunerkrankungen, wie Diabetes Typ 1 oder Multipler Sklerose, führen kann.  Heute kann mittels modernsten Laboranalysen, welche die Diagnostik revolutioniert haben, eindeutig gezeigt werden, in welchem Maß eine reduzierte Darmflora die Ursache vielfältiger Störungen und Erkrankungen ist: Diese Liste reicht von den Allergien über das chronische Müdigkeitssyndrom, chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa, Depressionen über das Reizdarmsyndrom bis hin zum Dickdarmkrebs.

Wie wird ein Leaky Gut diagnostiziert?

Eine Methode, um ein Leaky-Gut-Syndrom feststellen zu können, ist der sogenannte Lactulose-Mannitol-Test. Hier wird dem Patienten eine Laculose-Mannitol-Lösung zum Trinken verabreicht und nach einer bestimmten Inkubationszeit, wird der Urin auf diese Stoffe untersucht. Sind vermehrt diese Stoffe im Urin vorzufinden, ist eine Störung der Darmbarriere wahrscheinlich. Eine weitere Möglichkeit, ein Leaky Gut zu diagnostizieren, ist der Zonulin-Test. Dieser Test prüft das Protein Zonulin, welches bei bestimmten Reizen von den Darmzellen abgesondert wird und die Durchlässigkeit der Darmbarriere erhöht. Anhand einer Serumprobe wird getestet, wie viel Zonulin sich im Blut befindet, denn ein erhöhter Wert gib einen Hinweis auf das Leaky-Gut-Syndrom. Mit einem Stuhltest kann der Entzündungsmarker Alpha-1-Antitrypsin gemessen werden. Dieses Protein wird größtenteils in der Leber hergestellt und dient zur Regulation von Entzündungsreaktionen. Ist die Darmbarriere vermehrt durchlässig, kann alpha-1-Antitrypsin in den Darm gelangen und schlussendlich im Stuhl nachgewiesen werden.

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