Dipl.-Ing. Anna-Lena Kollos, MA
Wie sich Ernährung und Stress auf den Darm auswirken
Die Bikinisaison nähert sich dem Ende! Das bedeutet, dass die knappe Kleidung, die jedes Kilo zu viel gnadenlos offenbart, wieder in die Tiefen des Kleiderkastens verschwindet. Für die einen ein Tag der Freude, für die anderen ein Tag tiefer Trauer. Das Thema Body-Positivity ist nicht mehr aus den Köpfen wegzudenken und dennoch leiden viele Frauen unter ihrem Aussehen.
„Liebe deinen Körper“ und „Alle Körper sind schön“, sind Grundaussagen der Body-Positivity-Bewegung, die Menschen davon versucht zu überzeugen, dass ihre Körper schön sind, selbst wenn diese den vermeintlichen Schönheitsidealen nicht entsprichen. Ziel ist es, unrealistische Schönheitsideale zu bekämpfen und ein starkes Selbstwertgefühl zu entwickeln, abseits jeglicher Norm und Masseinheiten. Body-Positivity-Verfechter weisen auch dezidiert darauf hin, dass Schönheitsideale Konstrukte der Gesellschaft sind und keine Relevanz hinsichtlich der Selbst-Liebe und dem damit verbundenen Selbstwertgefühl haben dürfen. Schönheitsideale ändern sich fortlaufend und so ist es wenig überraschend, dass bereits 25.000 vor Christus eine Skulptur entstand, die der damaligen Zeit entsprach – die Venus von Willendorf! Etwas weniger weit in der Ferne liegt das Schönheitsideal, das Marilyn Monroe vertrat und noch näher an der heutigen Zeit war der Heroin Chic (eine Modeerscheinung aus den 90er Jahren geprägt durch die Fotos von Kate Moss) das Mass aller Dinge. Seit mittlerweile einigen Jahren ist auch in der Modewelt ein Umschwung erkennbar. Magazine reissen sich um Models wie Winnie Harlow (ein kanadisches Model mit der Hautkrankheit Vitiligo) und Plus Size Models wie Ashley Graham – auch diverse Model-Realityformate springen auf den Zug der Diversität auf.
Das Thema Body-Positivity vertritt somit ein nobles Ziel, denn immerhin wurde bereits 2011 im Zuge einer Marktforschung klar, dass vier von fünf Personen im deutschsprachigen Raum unzufrieden mit ihrem äusseren Erscheinungsbild sind, es jedoch für neun von zehn Befragten eine tragende Rolle spielt. Ein starkes Selbstwertgefühl zu haben, abseits jeglicher Norm, ist auch für die Psyche entscheidend, jedoch sollte es keine Extreme annehmen. Häufig werden Menschen mit deutlich sichtbarem Übergewicht gefeiert wie Popstars, da sie vorleben wie Body-Positivity funktioniert. Doch ist es wirklich sinnvoll ein Körperbild zu feiern, das nachweislich mit vielerlei gesundheitlichen Konsequenzen einhergeht?
BMI und Adipositas
Adipositas ist eine chronische Erkrankung und besser bekannt als Fettleibigkeit. Das starke Übergewicht der Patienten führt zu einer eingeschränkten Lebensqualität und birgt ein hohes Risiko an Folgeerkrankungen. Definiert wird Adipositas ab einem BMI von 30, laut der Richtlinie der Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO. Der BMI setzt sich aus dem Verhältnis des Körpergewichtes und der Körpergrösse zusammen. Dabei wird nicht die Körperzusammensetzung herangezogen, sondern lediglich die Masse. Das bedeutet, dass besonders muskulöse Personen, nach dem BMI ebenfalls als adipös gelten können. Ein Blick auf das Verhältnis von Wasser, Fett und Muskeln, löst dieses Missverständnis schnell auf. Unabhängig davon, ob der BMI fehleranfällig in seinen Aussagen ist, bietet er dennoch eine Möglichkeit, hinsichtlich der körperlichen Gegebenheiten grobe Einschätzungen zu treffen. Zusätzlich wird neben der Analyse der Zusammensetzung des Körpers auch noch der WHR (Waist to Hip Ratio) Wert herangezogen. Dieser Wert betrachtet das Verhältnis von Taille und Hüfte, wodurch wiederum eine Tendenz hinsichtlich der Körperfettverteilung erkennbar wird. Besonders der „Bauchspeck“ bedeutet Stress für den Körper! Das sogenannte viszerale Fett umhüllt die inneren Organe und begünstigt eine Vielzahl an Erkrankungen, die schlussendlich den Körper „stressen“, beispielweise Diabetes, Thrombose, Krebs oder Alzheimer.
Es sei erwähnt, dass Adipositas jedoch deutlich mehr als nur ein unkontrolliertes Essverhalten ist. Es handelt sich dabei um eine anerkannte chronische Erkrankung, die zu den hormonellen, Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen gehört. Die ÖAG (Österreichische Adipositas Gesellschaft) weist darauf hin, dass bis 2025 weltweit bereits 2,7 Milliarden Erwachsene übergewichtig sein werden. Bereits im Sommer 2018 waren etwa 3,4 Millionen Österreicher übergewichtig. Die Konsequenzen von Übergewicht – unabhängig von einer Erkrankung – masslosem Ernährungsverhalten oder übertriebener Body-Positivity-Bewegung, sind jedoch dieselben. Neben dem Herz-Kreislauf-System leidet vor allem der Bewegungsapparat – besonders Gelenke, Knie, Hüfte und Sprunggelenk. Ausserdem werden die Bandscheiben übermässig beansprucht, wodurch es zu einem vorzeitigen Verschleiss und somit zu Bandscheibenvorfällen kommen kann. Vermehrtes Schwitzen und Reflux (Sodbrennen) sowie Schlafapnoe, Krampfadern, Gallensteine, Gicht und auch die Fettleber können Konsequenzen von Übergewicht sein. Nicht zuletzt sei auch noch erwähnt, dass Personen mit Übergewicht beziehungsweise adipöse Personen ein erhöhtes Risiko für bösartige Tumore haben und haben und kann sich wiederum negativ auf den Darm auswirken. So ist es nicht überraschend, dass Magen-Darm-Erkrankungen vermehrt durch Übergewicht auftreten.
Übergewicht, Stress und Ernährung
Der Körper hat durch Übergewicht viel zu tun! Er muss eine grössere Masse bewegen und benötigt dafür viel mehr Ressourcen. Das bedeutet wiederum einen grossen Stress für unseren Körper, der irgendwann mit den Massen nicht mehr fertig wird und somit die beschriebenen Folgeerscheinungen zeigte. Arthros, auch Gelenksverschleiss genannt, ist eine häufige Begleiterkrankung von Adipositas/Übergewicht. Bereits fünf Kilogramm Übergewicht verdoppeln das Risiko der Abnutzung der Knorpel im Kniegelenk und somit das Risiko einer Knie-Arthrose. Wenn der Bewegungsapparat nicht mehr richtig funktioniert, bedeutet dies wiederum Stress für den Körper. Durch das Übergewicht wird auch die Regenerationsfähigkeit des Körpers stark in Mitleidenschaft gezogen und auch dies resultiert über kurz oder lang in Stress. Ohne richtige Erholung kann unser Körper mit anderen Stressoren noch weniger umgehen und so nimmt die Abwärtsspirale ihren Lauf. Das bedeutet, dass eine Gewichtsreduktion der einfachste und effektivste Weg ist, um den Körper zu entlasten und ihm somit weniger Stress zuzumuten.
Stress kann jedoch auch unter dem Gesichtspunkt der psychischen Belastung durch die Ernährung an sich betrachtet werden. So kommt es häufiger denn je vor, und dass trotz Body-Positivity-Bewegung, dass die Aufnahme von Nahrung als Belohnung oder Strafe angesehen wird. Somit werden die Lebensmittel nicht mehr genossen, sondern als notweniges Übel betrachtet. Auch der Trend „Ich trainiere um zu Essen – Ich esse um zu Trainieren“ stösst auf grosse Begeisterung in der Fitness Szene. Während sich die einen stressen, dass die Zusammensetzung der Mahlzeiten ihrem Ziel Muskeln aufzubauen entspricht, stressen sich die anderen mit dem Kalorienzählen. In beiden Fällen obliegt es einer kritischen Betrachtung, ob dadurch nicht mehr Stress entsteht, als notwendig wäre.
Zauberwort lautet Darmgesundheit
Immer öfter wird auch berichtet, dass der Körper selbst „schuld“ an dem Übergewicht ist. So sind Veränderungen in der Funktion der Schilddrüse häufig ein Grund, dass der Stoffwechsel im Ungleichgewicht ist und somit die Zahl auf der Waage nach oben geht. Das stellt jedoch keinen Freibrief dar, um sich darauf auszureden. Übergewicht – jedes Kilo zu viel – bedeutet Stress für den Körper. Dadurch gerät auch der Darm immer mehr in den Fokus. Tatsächlich stehen bestimmte Darmbakterien (Clostridium ramosum) unter Verdacht, das Gewicht des Menschen zu beeinflussen.
Vermutlich kennen auch Sie eine Person, die sich nur wenig bewegt und viel isst – und das nicht immer ausgewogen – und trotz alledem gertenschlank ist. Die genetische Veranlagung ist dabei ein Faktor, bei dem kein grosses Mitspracherecht gegeben ist. Neben der genetischen Vorgabe rücken aber auch der Darm und die Darmflora zunehmend in den Fokus der Wissenschaft.
„Eine wesentliche Erkenntnis besteht darin, dass sich Zusammensetzung und Vielfalt der Darmbakterien bei schlanken und übergewichtigen Menschen unterscheiden. Deutlich zeigen sich Abweichungen bei den Vertretern der Bakterienstämme Bacteroidetes und Firmicutes. Erstere dominieren in den Därmen normalgewichtiger Menschen, während letztere Stämme bei adipösen Personen überwiegen. Im Idealfall sind diese beiden Bakteriengruppen im Darm in einem ausgewogenen Verhältnis vorhanden. Das Verhältnis kann bei übergewichtigen Menschen aber so stark verschoben sein, dass im Darm bis zu 2.000 Mal mehr Firmicutes vorkommen als Bacteroidetes, was sich unmittelbar auf den Energiestoffwechsel auswirkt.“
Zitat aus folgendem Beitrag: Einfluss der Darmflora auf das Gewicht
Ausgewogene Ernährung statt Stress!
Für eine ausgewogene Ernährung müssen viele Faktoren berücksichtigt werden. Dabei sind unter anderem die Lebensumstände, die berufliche Situation, das Bewegungspensum und auch die zeitlichen Ressourcen in Betracht zu ziehen. Ein „One Fits All“-Modell gibt es nicht. Was jedoch immer gilt, ist die Tatsache, dass Ernährung und die damit verbundene Nahrungsaufnahme keinen Stress verursachen soll. Diäten und die damit häufig verbundenen Einschränkungen sorgen meist für mehr Stress als nötig. Durch die Einschränkungen, die eine Diät mit sich bringt, wird ein Besuch in einem Restaurant eventuell schon zur ersten Herausforderung und kann wiederum Stress hervorrufen. Natürlich sind mittlerweile viele Lokale auf spezielle Ernährungsformen vorbereitet!
Diäten zur Gewichtsreduktion haben klare Regeln. So soll bei einer Low Carb Diät der Konsum von Kohlenhydraten geringgehalten werden und bei der 1:0 Diät darf an einem Tag nach Herzenslust geschlemmt und am nächsten Tag gar nichts konsumiert werden. Die Grundvoraussetzung um Gewicht zu reduzieren, ist jedoch immer dieselbe – ein kalorisches Defizit zu erzeugen. Das bedeutet, dass weniger Kalorien aufgenommen als verbraucht werden. Damit einher geht häufig das allseits bekannte Kalorienzählen, das durch Abwiegen der Lebensmittel und der damit folgenden Berechnung einhergeht. Das wiederum bedeutet häufig mehr Stress als Genuss und lässt den Anwender wiederum zu einem Sklaven der Waage werden. Viele Diätversuche zur Gewichtsreduktion, scheitern dadurch und es kommt zum Jojo-Effekt.
Das Modell des intermittierenden Fastens soll dabei, trotz Einschränkung, eine Möglichkeit bieten, den Körper und somit auch den Darm zu den richtigen Zeitpunkten zu entlasten (frei nach dem Motto „jeder braucht mal Pause“) und dennoch ausreichend zu versorgen. Dabei haben sich verschiedene Varianten etabliert. Die derzeit häufigste Variante stellt das 16:8-Fasten dar. Dabei wird 16 Stunden am Tag gefastet und an den verbleibenden 8 Stunden normal gegessen. Auch beliebt ist das 5:2-Fasten. Dabei wird an 5 Tagen in der Woche normal gegessen und an den verbleibenden 2 Tagen werden nur sehr wenige Kalorien aufgenommen. Die bisherigen Ergebnisse einzelner Studien deuten darauf hin, dass das intermittierende Fasten sich positiv auf die Gesundheit und auch auf die Gewichtsreduktion auswirkt. Obwohl nur wenige Studien vorliegen, was besonders der Tatsache geschuldet ist, dass es verschiedene Varianten gibt, lassen die Daten darauf schliessen, dass die fettfreie Masse durch eine derartige Ernährung relativ unbeeinflusst bleibt.
Stark im Trend ist auch das intuitive Fasten. Dabei sollen keine Einschränkungen mehr befolgt werden. Vielmehr soll sich auf die eigene Intuition verlassen werden. Ganz ohne Regeln und einfach und genauer auf den Körper hören. Dadurch soll auch die Beziehung zur Nahrungsaufnahme verbessert werden. Die Auswirkung auf die psychische Gesundheit – auch die damit verbundene Reduktion des Stresses gegenüber der Nahrungsaufnahme – ist besonders gross. Ein grosses Risiko birgt diese Art der Ernährung jedoch für Personen, die verlernt haben, die Signale des eigenen Körpers richtig zu deuten. So kann es hier schnell zu einer Gewichtszunahme kommen, wenn die Bedürfnisse des Körpers hinsichtlich der Nahrungsaufnahme falsch verstanden werden.
Conclusio
Es gilt, negativen Stress (Distress) zu vermeiden. Sei es in Form von psychischen Belastungen oder anderen Faktoren, denn dadurch wird der Körper nachhaltig geschädigt und altert schneller. Übergewicht sollte auf jeden Fall vermieden werden, denn jedes Kilo zu viel bedeutet Stress für den Körper durch Mehrbelastung der Gelenke. Bewegung sollte, unabhängig von einer Gewichtsreduktion oder auch Gewichtszunahme, ein fixer Bestandteil des Alltags sein! Eine ausgewogene Ernährung sollte im Zweifel immer mit einer Fachperson (Diätologe, Ernährungsberater etc.) erarbeitet werden, um die individuellen Bedürfnisse zu erkennen und zu berücksichtigen. Ein adäquater Einsatz von Prä- und Probiotika kann dem Körper helfen, „Stress“ zu reduzieren und das Wohlbefinden zu optimieren. Hören Sie deshalb auf ihr Bauchgefühl, ernähren Sie sich stressfrei und bewegen Sie sich ausreichend. Ihr Körper und Geist werden es Ihnen bis ins hohe Alter danken.
Zur Autorin
Dipl.-Ing. Anna-Lena Kollos, MA (genannt Lela) begann nach Abschluss ihrer Studien (Biotechnologie, Lebensmitteltechnologie und Public Affairs) die staatliche Ausbildung zum Athletiktrainer, die sie durchgehend „mit Auszeichnung“ im Herbst 2019 abschloss. Durch ihre Tätigkeit als Personal Trainer und Kommunikationsberater mit Schwerpunkt auf gesundheitsrelevante Themen, setzt sie sich intensiv mit ihrem Bauchgefühl auseinander. Dabei setzt sie auf den ganzheitlichen und langfristigen Ansatz, der notwendig ist, um individuelle Ziele zu erreichen – sowohl im Training, als auch in der Kommunikation. Ihr Bauchgefühl beschäftigt Lela dabei schon viele Jahre, denn sie hat auf ihrem Weg oftmals genau darauf vertraut. Aufgrund ihrer breit aufgestellten Ausbildung und Erfahrungen, greift die Personal Trainerin auf ein grosses Know-How zurück.
Bildcredit: Marie&Michael Photography