Dipl.-Ing. Anna-Lena Kollos, MA
Unerfüllter Kinderwunsch und Fehlgeburt
Verliebt, verlobt verheiratet – und dann kommen die Kinder – ein klassischer Lebensweg, den viele so vorgelebt bekommen haben. Mittlerweile sind die Familienkonstruktionen und die Familienwege bunt und vielfältig geworden. Doch unabhängig vom jeweiligen Weg zur Familie gibt es manchmal Herausforderungen, die auch in den entferntesten Gedanken nicht vorstellbar gewesen waren. Vom unerfüllten Kinderwunsch sind mehr Paare als angenommen betroffen, denn circa eines von sieben Paaren muss sich damit auseinandersetzen. Das bedeutet, dass für dieses eine Paar der Weg zur eigenen Familie steinig, schwer und mit vielen Hürden versehen ist. Laut Definition der WHO ist ein unerfüllter Kinderwunsch vorhanden, wenn über einen Zeitraum von einem Jahr bei regelmässigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft eintritt. Doch schon dieses eine Jahr stellt bereits viele Paare auf eine harte Probe – denn ein Jahr kann sich lang anfühlen….sehr lang!
Alles dreht sich um den Zyklus
Der Zyklus der Frau variiert stark in der Länge – meist wird von 28 Tagen ausgegangen und einem Eisprung am 14. Zyklustag. Das ist jedoch nicht bei allen Frauen der Fall, und so sind Zykluslängen von 23-35 Tagen (und länger) bei vielen Frauen keine Seltenheit. Dazu muss erwähnt werden, dass die Zykluslänge auch mit der zuvor angewendeten Verhütungsmethode zusammenhängen kann, denn der weibliche Körper benötigt Zeit, um sich nach der Einnahme hormoneller Verhütungsmittel wieder auf den eigenen natürlichen Rhythmus einzupendeln. Durch hormonelle Verhütungsmittel werden dem Körper Hormone verabreicht, die den Hormonhaushalt ordentlich auf den Kopf stellen können und den Weg zum Wunschkind dadurch manchmal erschweren. Bei manchen Frauen ist das Absetzen dieser Verhütungsmittel der Startschuss für die Familienplanung und für manch andere ist es der Startschuss für eine lange Wartezeit, bis sich der Zyklus wieder einpendelt. Der Eisprung findet auch nicht immer am 14. Zyklustag statt, sondern bei natürlichen Zyklen generell 14 Tage vor der nächsten Regelblutung. Da aber auch dieser Zeitpunkt individuell variiert, kann der Eisprung häufig nicht ganz eindeutig bestimmt werden. Es gibt auch Hinweise des Körpers, mit denen sich der Eisprung bzw. das fruchtbare Fenster erkennen lassen. Die Kinderwunschmädls, wie sich Frauen innerhalb der Kinderwunsch Community häufig nennen, sind wahre Profis darin.
In der ersten Zyklushälfte, der Follikulären Phase – dem Zeitraum zwischen Beginn der Regelblutung und dem Eisprung – wird die aufgebaute Gebärmutterschleimhaut abgestossen und beginnt sich fortan wieder aufzubauen. Währenddessen reifen im Eierstock mehrere Follikel (auch Eibläschen genannt) heran, die im Idealfall jeweils eine Eizelle beinhalten. Ein Follikel wächst am schnellsten, platzt dann zum Zeitpunkt des Eisprungs auf, und setzt seine Eizelle frei. Gleichzeitig bereitet sich die Gebärmutterschleimhaut auf die Einnistung einer befruchteten Eizelle vor. Die zweite Zyklushälfte, die Lutealphase – der Zeitraum zwischen Eisprung und der nächsten Regelblutung – steht ganz im Zeichen der Einnistung und dem möglichen Beginn einer Schwangerschaft. Jener Follikel, der nach dem Eisprung zurückbleibt, wandelt sich in den sogenannten Gelbkörper um, der das Hormon Progesteron ausschüttet. Die Gebärmutterschleimhaut wird dadurch stärker aufgebaut und ist bereit, eine befruchtete Eizelle aufzunehmen. Diese wandert in die Gebärmutter und wird, sofern keine Befruchtung und Einnistung erfolgt, mit der nächsten Blutung ausgeschieden. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass auch befruchtete Eizellen abgehen können. Dieser Vorgang bleibt jedoch meist unbemerkt.
Auf der Suche nach dem Eisprung
Frauen mit Kinderwunsch sind wahrlich talentiert darin, den Eisprung zu erkennen und somit das kleine Zeitfenster „zu nutzen“.
Dabei sind die Klassiker der Erkennungshilfen:
- Ovulationstests
- Basaltemperatur
- Mittelschmerz
- Zervixschleim
Bevor es zum Eisprung kommt, steigt das LH Hormon (luteinisierendes Hormon) an. Handelsübliche Ovulationstests können dieses Hormon messen, wodurch Frauen mit Kinderwunsch ermöglicht wird, den bevorstehenden Eisprung besser zu erkennen. Wenn das LH Hormon seinen Spitzenwert erreicht, steht der Eisprung unmittelbar bevor. Eine weitere Methode um den Zyklus und den eigenen Körper besser kennen zu lernen, ist mit Hilfe des Basalthermometers. Dabei muss jeden Tag in der Früh, noch vor dem Aufstehen, die Körpertemperatur gemessen werden, am besten immer zur selben Uhrzeit. Diese Methode wird einerseits in der natürlichen Familienplanung eingesetzt, um den Eisprung und somit den optimalen Zeitpunkt zur Befruchtung zu erkennen, oder andererseits als natürliche Verhütungsmethode. Es erfordert ein wenig Übung, die Temperatur des Körpers richtig deuten zu können. Das Basalthermometer muss zwei Nachkommerstellen aufweisen, um die feinen Unterschiede der Körpertemperatur zu detektieren. Hintergrund der Methode ist der Anstieg der Körpertemperatur um etwa 0,2-0,5 °C nach dem Eisprung.
Manche Frauen berichten, dass der Eisprung für sie spürbar ist. Dieses Phänomen wird häufig als Mittelschmerz bezeichnet, der sich als leichtes Ziehen im unteren Bauchbereich äussert. Manche Frauen berichten auch, dass sie nach der ersten Schwangerschaft den Eisprung deutlich spüren können. Wieder andere Frauen bemerken den Eisprung nicht. Das Empfinden dahingehend ist eben von Frau zu Frau unterschiedlich. Zudem gibt der Zervixschleim Hinweise zu den Phasen des Menstruationszyklus, denn die Konsistenz variiert unter dem Einfluss verschiedener weiblicher Hormone. Auch hier werden Frauen mit Kinderwunsch extrem aufmerksam. Sie protokollieren jede Veränderung, denn rund um den Eisprung ist der Zervixschleims wie das rohe Eiweiss eines Hühnereis. Aufgrund dieser körpereigenen Signale werden Frauen mit Kinderwunsch wahre Expertinnen ihres Zyklus, und können sehr genau das fruchtbare Fenster ermitteln, besonders durch die Kombination von Ovulationstest, Körpertemperatur und Zervixschleim.
Das (fruchtbare) Fenster öffnet sich
Sobald das Erkennen des fruchtbaren Fensters durch etwas Training möglich ist, wird dieses genutzt. Innerhalb der Kinderwunsch Community bricht häufig eine Grundsatzdiskussion aus, wie oft und wann denn dieses Fenster genutzt werden MUSS. Da ist auf der einen Seite das Team „jeder Tag muss mindestens zwei Mal genutzt werden“ und auf der anderen Seite das Team „alle zwei Tage“. „Genutzt werden“ bedeutet traute Zweisamkeit und jene Phase, bei der dem Partner nun auch eine bedeutsame Rolle zukommt. Wie oft ein Zeitfenster tatsächlich genutzt werden soll, muss jedes Paar für sich herausfinden! Allerdings leidet oft die Romantik sehr darunter, denn somit ist die Zeit für den Geschlechtsverkehr nach Plan angebrochen. Nach 12 Monaten ohne erfolgreiche Schwangerschaft ist die Belastung gross und unter Umständen der Geldbeutel leichter aufgrund der unzähligen Schwangerschafts- und Ovulationstests. Aber nicht nur diese hinterlassen eine Lücke im Haushaltsbudget. Frauen mit Kinderwunsch sind nach 12 Monaten auch Profis in Sachen Nahrungsergänzungsmittel! Von „Pimp My Egg“ bis „goldene Milch“ gibt es unzählige Meinungen und Mittel, die den Traum einer Schwangerschaft erfüllen sollen. So wird kein Produkt unversucht gelassen, um den Traum vom Wunschkind zur Realität werden zu lassen.
Probiotika zur Verbesserung der Erfolgschancen einer Schwangerschaft
Während der letzten Jahre hat der Einsatz von Probiotika in der frauenärztlichen Praxis hinsichtlich Therapie und Vorbeugung negativer Veränderungen der Vaginalflora und bei wiederkehrenden Infektionen des Harn- und Vaginaltraktes zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Mikrobiom-Forschung ermöglicht es, speziell effiziente Bakterienstämme für gynäkologische Erkrankungen zu finden und einzusetzen. Die orale Einnahme von probiotischen Bakterien ist ideal, da dies den natürlichen Weg der Besiedelung der Vagina über das Rektum mit entsprechenden Mikroben unterstützt. Durch die Einwanderung dieser probiotischen Bakterien aus dem Darm erfolgt im Gegensatz zur Verabreichung von Vaginalkapseln eine Depotbildung im Darm, wodurch ein Reservoir für die permanente Besiedelung der Vagina entsteht.
Von Sternenkindern und Regenbogenbabys
Führt der lange und steinige Weg endlich zu einem positiven Schwangerschaftstest, ist die Freude gross. Ein Baby ist unterwegs, und die Herausforderungen scheinen fast vergessen. Die Freude über den positiven Schwangerschaftstest wird oft von der Angst begleitet, eine Fehlgeburt zu erleiden. Die Gedanken kreisen um den kleinen Bauchbewohner und wechseln von einem Mal von „Vielleicht werde ich ja nie schwanger“ zu „Hoffentlich geht alles gut“. Viele Frauen erleiden zumindest einmal eine Fehlgeburt. Manche Frauen bemerken erst gar nicht, dass sie schwanger waren und bei mehr als der Hälfte der befruchteten Eizellen kommt es noch vor der 6. Schwangerschaftswoche zu einer Fehlgeburt. Andere werdende Eltern trauern um den Verlust des entstehenden Lebens. In der Kinderwunsch Community werden Fehlgeburten als Sternenkinder bezeichnet und Babys, die nach einer Fehlgeburt und erneuter Schwangerschaft auf die Welt kommen, als Regenbogenbabys. Immer wieder wird berichtet, dass Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, von Anfang an das Gefühl hatten, dass etwas nicht ganz in Ordnung sei. Obwohl eine Fehlgeburt in den ersten 12 Schwangerschaftswochen häufiger vorkommt als angenommen, ist der Verlust dennoch immens.
Nach solch einem Schicksalsschlag ist zum Teil auch psychologische Betreuung nötig. Wichtig ist, sich klarzumachen, dass bei der grossen Mehrheit der Fälle die werdende Mutter keine Schuld trifft. Sofern weiterhin ein aktiver Kinderwunsch besteht, sind die Chancen, auch nach der Fehlgeburt ein Kind zu bekommen, hoch. Es ist empfehlenswert, die Einnahme essenzieller Schwangerschaftsnährstoffe wie Folsäure fortzusetzen, aber auch an das Mikrobiom und dessen wertvolle Laktobazillen zu denken.
Ich wünsche allen Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, viel Vertrauen und Zuversicht und ein baldiges Regenbogenbaby!
Zur Autorin
Dipl.-Ing. Anna-Lena Kollos, MA (genannt Lela) begann nach Abschluss ihrer Studien (Biotechnologie, Lebensmitteltechnologie und Public Affairs) die staatliche Ausbildung zum Athletiktrainer, die sie durchgehend „mit Auszeichnung“ im Herbst 2019 abschloss. Durch ihre Tätigkeit als Personal Trainer und Kommunikationsberater mit Schwerpunkt auf gesundheitsrelevante Themen, setzt sie sich intensiv mit ihrem Bauchgefühl auseinander. Dabei setzt sie auf den ganzheitlichen und langfristigen Ansatz, der notwendig ist, um individuelle Ziele zu erreichen – sowohl im Training, als auch in der Kommunikation. Ihr Bauchgefühl beschäftigt Lela dabei schon viele Jahre, denn sie hat auf ihrem Weg oftmals genau darauf vertraut. Aufgrund ihrer breit aufgestellten Ausbildung und Erfahrungen, greift die Personal Trainerin auf ein grosses Know-How zurück.
Bildcredit: Marie&Michael Photography