Mit der richtigen Ernährung Ihre Darmflora stärken
Die Küche im Kurhaus Marienkron (Burgenland, Österreich) ist ganz auf den Schwerpunkt „Darm&Gesundheit“ ausgerichtet. Bereits seit 2011 unterstützt Dr. Ulrike Göschl dabei als ärztliche Leiterin im Kurhaus Marienkron, die Gäste mit ihrer ganzheitlichen Expertise. Wir möchten daher die Gelegenheit nutzen und Dr. Göschl noch vor dem Start des Sommers, „heisse“ Fragen rund um das Thema „Ernährung & Darm“ stellen:
Der Darm und die richtige Ernährung
Institut AllergoSan: Zuallererst möchten wir Sie fragen: Was bedeutet Ernährung in der heutigen Zeit für Sie und welche Rolle spielt der Darm bei der Ernährung?
Dr. Ulrike Göschl: Ernährung ist nicht nur ein wesentlicher Gesundheitsfaktor, sondern in unserer „westlichen“ Gesellschaft mittlerweile ein „lifestyle“ Faktor, für die, die es sich leisten können. Gotts sei Dank ist es aber trotzdem den meisten Menschen bei uns möglich, sich so zu ernähren, dass eine ausreichende Versorgung mit Kalorien und Nährstoffen gewährleistet ist. Der Darm als Verdauungsorgan muss tagtäglich mit dem ihm zugeführten körperfremden Material umgehen, es zerlegen, weiterleiten, resorbieren und mit seinem riesigen Immunsystem zwischen „gut und böse“ unterscheiden.
Institut AllergoSan: Können Sie uns sagen, welche Nahrung dem Darm gut tut? Gibt es bestimmte Lebensmittel, die das Wohlbefinden im Darm stärken können?
Dr. Ulrike Göschl: Frisch zubereitet und gemüsebetont tut unserem Darm prinzipiell gut. Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, zucker- und fettarme Zubereitung mit ausreichenden Eiweissquellen sind für den ganzen Organismus wichtig. Darmstärkend ist ein schwieriger Begriff, das kommt auf die Ausgangslage an. Einen gesunden Darm kann ich schon mit mehr Vollkornprodukten fördern, einen empfindlichen Darm würde ich damit überfordern. Da sind mildere Speisen im Sinne einer Schonkost mit entblähenden Kräutern wie frischer Petersilie oder Gewürzen, wie Fenchel und Kümmel hilfreich.
Institut AllergoSan: Ballaststoffe sind enorm wichtig als Nahrungsquelle für unsere Darmbakterien. Es heisst, dass man mind. 30g Ballaststoffe pro Tag zu sich nehmen soll. Erreicht man den Bedarf mit unserer heutigen Ernährungsweise leicht oder macht es Sinn mit Präbiotika zu ergänzen?
Dr. Ulrike Göschl: Mit einer ausgewogenen, bunten und gemüsebetonten Kost können wir auf eine ausreichende Ballaststoffversorgung kommen. Präbiotisch wirksame Ballaststoffe dienen unseren Darmbakterien als Futter. So sollen inulinreiche Lebensmittel wie Chicorée, Schwarzwurzel oder Topinambur zusätzlich indirekt die Vermehrung günstiger Darmbakterien fördern, können aber auch zu vermehrten Blähungen führen. Wenn man kein Gemüsefreund ist, bzw. aufgrund des stressigen Alltags den Bedarf nicht decken kann, ist es sinnvoll die Nahrung mit Präbiotika zu ergänzen.
Institut AllergoSan: Immer wieder kommen auch neue Ernährungstrends auf, z.B. Low Carb oder Intervallfasten. Was ist Ihre Meinung dazu und können Sie empfehlen?
Dr. Ulrike Göschl: Wir im Kurhaus Marienkron sehen, wie durch Studien bestätigt, dass Diäten, die auf Verboten oder einseitigen Ernährungsformen aufbauen, keine nachhaltig positive Wirkung auf das Gewicht haben. Wichtig ist eine dauerhafte Änderung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten mit einer Verschiebung Richtung mehr Gemüse (halber Teller), mehr Bewegung und längeren Pausen zwischen den Mahlzeiten. Das Intervallfasten gibt es in Tages- oder stündlich eingeschränkter Form und soll hauptsächlich die Selbstregeneration anstossen. Die Auswirkungen auf das Gewicht sind unterschiedlich gut, pendeln sich nach einer gewissen Zeit aber ein und ersparen nicht die langfristigen Lebensänderungen.
Darmbakterien beeinflussen das Wohlfühlgewicht
Institut AllergoSan: Das eigene Wohlfühlgewicht wird vor allem jetzt, vor dem Start der „Bikinisaison“, von vielen verfolgt. Welche Rolle spielt dabei der Darm bzw. unsere Darmbakterien? Kann unser Mikrobiom im Darm ursächlich für Übergewicht oder Adipositas sein?
Dr. Ulrike Göschl: Das Thema Wunschgewicht und Körperempfinden ist ein sehr komplexes. Hier spielen auch Medien und „role models“ in den jeweiligen Altersgruppen eine grosse Rolle. Ob jemand mehr oder weniger zu Übergewicht neigt, hängt von vielen Faktoren ab, sicher auch Genetik und Prägung des Essverhaltens ab der frühesten Kindheit. Damit habe ich natürlich auch einen Faktor über den Darm, denn was ich esse, verändert auch mein Mikrobiom, was wiederum Auswirkungen auf die Stoffwechselleistung haben kann. Da gibt es noch viel zu lernen und studienmässig zu klären.
Probiotika und Ernährung
Institut AllergoSan: Was sagen Sie zum Einsatz von Probiotika innerhalb der Ernährungsthematik? Können diese auch auf die Wunschfigur Einfluss nehmen?
Dr. Ulrike Göschl: Alles was die Diversität der Darmflora anregt ist langfristig gut. Probiotisch wirksame Lebensmittel wie Joghurt, Kefir, Buttermilch, aber auch Sauerkraut oder Miso sind reich an Milchsäurebakterien(Lactobacillus und Bifidobacterium) und fördern so direkt unser Darmmikrobiom. Bei wem es möglich ist, ist auch einmal eine Fastenwoche gut, um die Vielzahl der Darmbakterien zu fördern und ein gesundes Gleichgewicht im Darm zu schaffen. Das ist immer eine gute Voraussetzung. Für langfristige Gewichtsveränderungen kommt aber niemand um eine Umstellung der Essens- und Lebensgewohnheiten herum. Speziell ausgewählte probiotische Bakterien können jedoch begleitend dazu eingesetzt werden, um die Zahl an gesundheitsfördernden Bakterien im Darm zu steigern.
Institut AllergoSan: Welche Pro- und Präbiotika werden im Kurhaus Marienkron eingesetzt?
Dr. Ulrike Göschl: Prinzipiell versuchen wir in Marienkron so viel wie möglich über Ernährungsinterventionen zu beeinflussen. Gemüse, vergorenen Milchprodukte, fermentierte Lebensmittel, Bitterstoffe, die volle Palette. Bei manchen Gästen, die eine Darmproblematik hatten und hier bei uns über das Fasten wieder in eine gesunde Ernährung einsteigen, empfehlen wir zur Unterstützung im Anschluss auch einmal Pro bzw. Symbiotika einzunehmen. Bei Antibiotikaeinnahme ist ebenfalls eine Unterstützung der Darmbakterien angeraten. Bei Gästen mit eher entzündlichen Komponenten kommen manchmal spezielle Produkte in einschleichender Dosis zum Einsatz. Bei rezidivierenden gynäkologischen Irritationen oder Reizblase gibt es, neben oralen, auch lokale Anwendungsmöglichkeiten. Das ist immer von Fall zu Fall zu entscheiden.
Institut AllergoSan: Oft hört man auch „Ich habe so einen schlechten Stoffwechsel – keine Diät bringt mich zum Erfolg“ – was könnte die Ursache dafür sein? Besteht hierbei auch eine Verbindung zum Darm?
Dr. Ulrike Göschl: Diese Verbindungen zum Darm oder Mikrobiom werden weltweit intensiv beforscht, Vieles ist, wie oben besprochen, nicht so einfach, wie man es gerne hätte und noch sehr unklar. Gar nicht so selten ist es aber der Fall, dass Gäste sich „dick hungern“, d.h. über sehr lange Zeit unter ihrem Grundumsatz gegessen haben, den Stoffwechsel immer weiter „optimiert“ haben und dadurch statt Muskelmasse Fettgewebe aufbauen, das auch in der Ruhe weniger Energie verbrennt- ein Teufelskreis. Wiederum bedarf es einer langfristigen Umstellung von Ernährungs- und Bewegungsmustern.
Institut AllergoSan: Muss man bei der Einnahme von Probiotika irgendetwas beachten, z.B. Ernährungsumstellung? Darf eigentlich jeder Mensch Probiotika einnehmen?
Dr. Ulrike Göschl: Manche Probiotika können anfangs vermehrte Blähungen verursachen, daher empfehlen wir bei empfindlichen Personen nicht gleichzeitig mit Yoghurt, Buttermilch und Kefir zu beginnen. Bei der Einnahme von Probiotika die Dosis anfangs halbieren und einschleichen und nicht gleichzeitig auf eine hohe Ballaststoffzufuhr umzustellen. Generell sind Probiotika ein sicheres Therapieverfahren. Vorsicht ist bei starker Immunsuppression (z. B. unmittelbar nach Knochenmark-/Stammzelltransplantation, nach Herz-/Lungentransplantation) und bei kritisch kranken Patienten (z. B. akute Pankreatitis) geboten.
Institut AllergoSan: Was tun Sie für Ihren Darm? Welche Lebensmittel konsumieren Sie? Nehmen Sie auch Pro- und Präbiotika?
Ich versuche mich gemüsebetont und damit ballaststoffreich zu ernähren. Wir haben das Glück in Marienkron immer frisch gekochtes, vegetarisches Essen auch als Mitarbeiter geniessen zu können, das hilft schon sehr. Abends koche ich meist nochmals frisch – auch zur Entspannung tut mir dies einfach gut. Im Normfalfall reichen Ernährungsinterventionen wie kurzfristige Reduktion von tierischem Eiweiss und vermehrt Bitterstoffe um z.B. meine Gelenke zu entlasten. Sollte das nicht ausreichen, nehme ich unterstützend auch einmal eine Zeit lang Symbiotika ein, um meinen Stoffwechsel auf Trab zu bringen.
Personen Kurzbeschreibung:
Dr. Ulrike Göschl unterstützt die Marienkron Kurgäste bereits seit 2011 als Kurärztliche Leiterin mit ihrer ganzheitlichen Expertise. Ihre beruflichen Wurzeln liegen in der Physikalischen Medizin und Psychosomatik, später kam noch die Kneipp- und Kurmedizin dazu. Mit langjähriger Erfahrung und viel Einfühlungsvermögen leitet die Burgenländerin das Ärzte- und Therapeutenteam von Marienkron und arbeitet für die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Kurpakete eng mit Prof. Dr. Andreas Michalsen zusammen.
Dr. med. Ulrike Göschl – Ärztliche Leitung Kurhaus Marienkron, Fachärztin für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation, Allgemeinmedizin