Ultraschallbild von Baby mit Schwangerschaftstest: Probiotika: Hoffnung bei unerfüllter Schwangerschaftt?

Thore Hansen

Probiotika: Hoffnung bei unerfülltem Kinderwunsch?

Unfruchtbarkeit ist weltweit ein immer häufiger auftretendes Problem mit unterschiedlichsten Ursachen. Nun rückt das vaginale Mikrobiom bei der Behandlung der weiblichen Unfruchtbarkeit (Infertilität) in den Fokus der Forschung. Der Leiter des Kinderwunsch-Instituts, Dr. med. univ. Michael Schenk, beschäftigte sich im Rahmen einer Studie intensiv mit der Frage, inwieweit das vaginale Mikrobiom Unfruchtbarkeit beeinflussen kann. Diese und viele andere Fragen beantwortet Dr. Schenk im Interview.

Dr. Michael Schenk

Dr. med. univ. Michael Schenk*

bauchgefühl: Die Zahl der von Unfruchtbarkeit betroffenen Frauen steigt weltweit und ist somit für immer mehr Menschen bzw. Paare eine immense Belastung. Was genau bedeutet Unfruchtbarkeit?

Dr. med. univ. Michael Schenk: Wenn eine Frau zwölf Monate regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr hat und nicht schwanger geworden ist, dann sprechen wir von Unfruchtbarkeit. Bei Frauen ab 35 Jahren verkürzt sich dieser Zeitraum auf sechs Monate, und zwar aufgrund eines wesentlichen Unterschiedes zwischen Mann und Frau: Die Samenzellen des Mannes werden dauernd neu gebildet. Der Hoden produziert alle drei Monate eine neue Samengeneration.

Bei Frauen werden hingegen alle Eizellen, die jemals springen können, schon vor der eigenen Geburt im Embryo angelegt und müssen ein Leben lang reichen. Wir wissen, dass eine Frau von 20 Jahren in der Regel bis zu 90 Prozent fruchtbare Zyklen hat, mit 30 sinkt der Wert schon auf 50 Prozent und mit 40 auf zehn Prozent. Frauen, die zuerst Karriere machen oder den richtigen Partner später finden, geraten unter immensen Druck, wenn sie dann nicht gleich schwanger sind. Zu diesem Zeitpunkt sollte man sich professionelle Hilfe suchen, denn – so uncharmant es klingt – dann drängt die Zeit, was das Zustandekommen einer Schwangerschaft betrifft.

bauchgefühl: Das bedeutet also, dass Sie jüngeren Menschen dazu raten, eine Schwangerschaft genauso zu planen wie alles andere im Leben. Welche Gründe kann ein unerfüllter Kinderwunsch haben?

Dr. Schenk: Zunächst einmal sind Männer und Frauen von Unfruchtbarkeit relativ gleichmäßig betroffen. Bei 40 Prozent aller Fälle verhindert sogar die individuelle Konstitution beider Partner eine Schwangerschaft. Deshalb ist es so wichtig, sich bei der Abklärung der Ursachen auf beide Partner zu konzentrieren. Es gibt selten nur „die eine Ursache“, daher suchen wir immer gleich nach zwei oder mehreren Parametern. Bei der Frau analysieren wir Stoffwechselparameter wie Glukose, Insulin, Selen, Vitamin D und das vaginale Mikrobiom. Relevant sind aber auch starkes Über- oder Untergewicht und das Vorliegen offener oder geschlossener Eileiter.

Bei Männern ist die Suche nach der Ursache grundsätzlich etwas leichter. Nikotin bzw. ein ungesunder Lebensstil stellt einen häufigen Negativfaktor beim Mann dar. Aber auch der Glukosestoffwechsel, der Homa-Index, also Insulin im Verhältnis zu Glukose, ist für den Samenbefund relevant. Sind beide Partner von Unfruchtbarkeit betroffen, kommen noch andere Ursachen in Frage, die zum Beispiel in der Immunologie zu suchen sind.

bauchgefühl: Um sich den sehnlichen Kinderwunsch zu erfüllen, bedarf es also genauester Abklärung. Welche Untersuchungen werden zur Fruchtbarkeitsabklärung durchgeführt?

Dr. Schenk: Zunächst wird im Erstgespräch darüber aufgeklärt, welche Ursachen es grundsätzlich gibt. Oftmals stößt man dabei schon auf erste Hinweise bezüglich des Lebensstils oder der familiären Vorgeschichte. Wichtig ist, dass beide Partner offen und ehrlich mit dem Problem umgehen. Hat man nach dem ersten Gespräch noch keine Klarheit, wird der weitere Untersuchungsplan für eine erfolgreiche Therapie besprochen. Aber es kommt tatsächlich nicht selten vor, dass nach dem ersten Therapiegespräch etliche Informationen auf jene Umstände hindeuten, die eine Schwangerschaft verhindern. Häufig liegt ein Mangel an Vitamin D oder Selen vor. Genauso kann eine auffällige negativ veränderte Zusammensetzung des Mikrobioms von Scheidenflora oder Ejakulat einer Schwangerschaft entgegenstehen. Das sind Faktoren, die man auf jeden Fall als Erstes verbessern kann.

bauchgefühl: Das bedeutet also: Eine Verbesserung des Nährstoffhaushalts und des Lebensstils kann die Chancen, schwanger zu werden, deutlich erhöhen. Wenn dies jedoch nicht ausreicht – welche Therapiemöglichkeiten gibt es darüber hinaus?

Dr. Schenk: Die Therapiemöglichkeiten hängen zunächst einmal davon ab, ob wir überhaupt Samen und Eizellen finden, wobei vorwiegend die Anzahl und der Zustand der Samenzellen die Optionen bestimmen. Wenn man zum Beispiel mehr als eine Million gesunde Samenzellen in einem Ejakulat hat, kann ich als Arzt versuchen, den Samen „unromantisch“ in die Gebärmutter einzubringen. Bei weniger Zellen, etwa bei hunderttausend, ist es möglich, Samen und Eizelle in einer Petrischale zusammenzubringen, und schlussendlich bleibt noch der Versuch, eine Eizelle mit einer einzigen starken Samenzelle zu befruchten, um sie anschließend in die Gebärmutter einzusetzen.

Zwei Embryos - Zelle in einer Mitose

Mit diesen Methoden kann man 95 Prozent der Paare schon zu einer Schwangerschaft verhelfen. Doch was ist mit den übrigen fünf Prozent? Wenn Männer zum Beispiel keine Samen produzieren, gilt es, einen Samenspender zu finden. Einige Frauen können aufgrund ihres Alters, vorzeitiger Wechseljahre oder weil sie Eierstockkrebs hatten, nicht mehr schwanger werden, haben aber eine gesunde Gebärmutter. In solch einem Fall suchen wir eine Eizellspenderin, um eine Schwangerschaft zu ermöglichen. Es gibt ein recht breites Angebot an Therapien. Wichtig ist eine gute und ausführliche Diagnostik. Denn: Vergisst man zum Beispiel eine Abklärung des Selenstatus im Blut oder die Analyse des Mikrobioms, sucht man vergeblich nach anderen Ursachen.

bauchgefühl: Einen wesentlichen Faktor für eine Schwangerschaft stellt ja auch der richtige Zeitpunkt dar – in diesem Zusammenhang ist aber nicht das Alter gemeint. Welche Rolle spielt hierbei die kontinuierliche Messung der Körpertemperatur?

Dr. Schenk: Grundsätzlich kämpfen wir einerseits mit Samen und Eizellen, andererseits mit der Evolution. Wir wissen, dass die Körpertemperatur sich in einer bestimmten Phase vor dem Eisprung verändert. Messen wir sie kontinuierlich, können wir feststellen, wann genau die Temperatur ansteigt – denn ein Anstieg ist immer ein Zeichen dafür, dass der Eisprung stattfindet, und zwar relativ schnell nach dieser Temperaturveränderung. Das ist der günstigste Zeitpunkt – sowohl für den Geschlechtsverkehr bei Kinderwunsch als auch für uns am Kinderwunsch-Institut, um einen Eingriff zur Befruchtung vorzunehmen.

Misst man aber nur einmal am Tag mit einem Achsel- oder Zungenthermometer die Temperatur, verpasst man den optimalen Zeitpunkt innerhalb von 24 Stunden sehr schnell. Wenn jedoch die Temperatur etwa mit einem Temperaturpflaster (Anm.: zum Beispiel femSense; www.femsense.com) kontinuierlich gemessen und mittels eines Algorithmus analysiert wird, lässt sich der richtige Zeitpunkt für das Liebesleben präzisieren und die Chance auf eine Befruchtung schlicht durch Erfahrungswerte erhöhen.

bauchgefühl: Sie haben vorhin gesagt, dass das Mikrobiom eine wesentliche Ursache für Unfruchtbarkeit sein könne. Würden Sie uns bitte den Zusammenhang zwischen Unfruchtbarkeit und der Scheidenflora erklären?

Ultraschallbild von Baby mit positivem SchwangerschaftstestDr. Schenk: Ein Großteil unserer Bakterien sind – ganz einfach gesagt – unsere „Freunde“ und in den letzten Jahren trug die Forschung sehr viel dazu bei, diese „Freunde“ besser zu verstehen. Wir gingen lange davon aus, dass es nur eine Scheidenflora gäbe. Dann entdeckte man jedoch, dass die Gebärmutter ebenfalls ein Mikrobiom beherbergt. Sie ist also kein steriler Brutkasten. Und wir finden immer mehr Hinweise dafür, dass das Mikrobiom durchaus darüber entscheiden kann, ob sich die Eizelle in die Gebärmutter einnistet. Überdies trägt die Anzahl der guten Bakterien erheblich dazu bei, schwanger zu bleiben bzw. eine Fehlgeburt zu vermeiden.

Das Mikrobiom der Scheide sollte zum Zeitpunkt der Schwangerschaft „eubiotisch“ – also überwiegend von guten (Milchsäure-)Bakterien besiedelt – sein, um krankmachende (pathogene) Keime abwehren zu können. Durch die körperliche Verbindung von Mann und Frau kommt es außerdem zu einem partnerschaftlichen Mikrobiom, was bedeutet: Das Mikrobiom des Mannes beeinflusst jenes der Frau und umgekehrt. Daher macht es Sinn, sich auf der Suche nach den Ursachen das Mikrobiom beider Partner anzusehen.

bauchgefühl: Welche Rolle spielen Probiotika bei einer künstlichen Befruchtung? Gibt es diesbezüglich schon Studien?

Dr. Schenk: Es gibt immer mehr Studien dazu und es ist inzwischen Standard, dass man bei einer Dysbiose (Anm.: einer ungünstigen Zusammensetzung des Mikrobioms) der Samenflüssigkeit oder der Scheiden- oder Gebärmutterflora beginnt, probiotisch zu therapieren. Noch vor wenigen Jahren war vor allem die Antibiotikatherapie gang und gäbe – heute wissen wir, dass die Beseitigung gefährlicher Keime leider auch die guten Bakterien abtötet. Das bleibt nicht ohne Folgen, denn dann entsteht eine dysbiotische Situation, die alles andere als optimal ist. Wir haben gerade eine Studie veröffentlicht, in der wir beweisen können, dass selbst ein hochgefährlicher Keim allein durch die Gabe eines ganz speziellen Probiotikums am Wachstum gehindert wird. Das ist ein enormer wissenschaftlicher Fortschritt! Wir gehen immer mehr dazu über, Probiotika zu den Basistherapieoptionen zu zählen, und empfehlen diese auch, um eine Schwangerschaft zu erzielen bzw. zu begleiten.

Wir finden immer mehr Hinweise dafür, dass das Mikrobiom durchaus darüber entscheiden kann, ob sich die Eizelle in die Gebärmutter einnistet

bauchgefühl: Worauf kann man noch achten, um die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen?

Dr. Schenk: Ich betone immer: Entscheidend ist, dass man gut lebt. Wir leben jetzt in einer Zeit, in der eigentlich jeder seine Ziele erreichen kann. Wenn ich von A nach B gelangen will, schaffe ich das entweder auf dem direkten Weg oder mit Unterstützung, doch im Endeffekt kann jede Frau, egal ob Managerin oder Kassiererin, heute das erreichen, was sie will. Worunter die Paare allerdings am meisten leiden: Zum ersten Mal in ihrem Leben befinden sie sich in einer Situation, die sie nicht vollständig kontrollieren können – denn der Embryo entscheidet bis zu einem gewissen Grad selbst, ob er auf die Welt kommen möchte oder eben nicht. Heute wissen die meisten Menschen fast schon zu viel darüber, wann laut medizinischer Einschätzung die Schwangerschaft eintreten müsste. Das erhöht den Druck und das Nervenflattern zusätzlich. Dabei ist es auch wichtig, sich selbst zu beruhigen. Ich sage den Paaren oft: Schreiben Sie sich auf, warum es sich für Ihr Kind lohnt, Sie als Eltern kennenzulernen. Mir ist es wichtig, meinen Patienten ein gutes „Bauchgefühl“ auf ihren Weg mitzugeben – denn ich bin davon überzeugt, dass dieses in mehrerlei Hinsicht eine entscheidende Rolle spielt.

Dr. Michael Schenk*Personenbeschreibung:

Dr. med. univ. Michael Schenk, MAS, ist Hauptgeschäftsführer und Ärztlicher Leiter des Kinderwunsch-Instituts in Dobl. Einen seiner Schwerpunkte bilden die Forschung und die Therapieentwicklung bezüglich der Ursachen von Unfruchtbarkeit.

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