Mangel an Vitamin D

Mangel an Vitamin D

Vielen Menschen in Mitteleuropa mangelt es an Vitamin D oder droht zumindest ein Mangel.

Das Risiko dafür sei in fast allen Bevölkerungsgruppen gegeben, eine Ausnahme seien nur Säuglinge unter Rachitis-Prophylaxe, schreiben Professor Armin Zittermann (Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen) und Professor Stefan Pilz von der Medizinischen Universität Graz. Nach ihren Angaben haben in der Allgemeinbevölkerung 15 bis 18 Prozent der Menschen zu niedrige Blutspiegel von 25-Hydroxyvitamin D (< 30 nmol/l); noch höher sei mit über 25 Prozent der Anteil bei Pflegeheim-Bewohnern und nicht-europäischen Migrantinnen.

Auch Adipositas begünstigt Vitamin-D-Defizit

Der Anteil der Menschen mit Vitamin-D-Mangel hängt bekanntlich erheblich von der Jahreszeit ab: In Deutschland betrage er im Sommerhalbjahr (Mai bis Oktober) rund elf Prozent und im Winterhalbjahr (November bis April) fast 22 Prozent. Eine Untersuchung von knapp 100 000 stationär und ambulant versorgten norddeutschen Patienten habe im Winter sogar bei 34 Prozent zu niedrige Werte ergeben. Begünstigt wird ein Vitamin-D-Mangel als Folge unzureichender UVB-Exposition der Haut zudem durch unsere Lebensweise (Arbeiten und auch Freizeitaktivitäten oft in geschlossenen Räumen). Zu den gefährdeten Personen gehören auch adipöse Menschen, wobei zur Genese des Vitamin-D-Defizits bei diesen Personen vermutlich mehrere Faktoren beitrügen, so etwa mangelnde körperliche Aktivität im Freien und auch vermehrte Vitamin-D-Speicherung im Fettgewebe. Die positive Botschaft dazu: Gewichtsreduktion mobilisiere das gespeicherte Vitamin D. Ein Gewichtsverlust von 15 Prozent und mehr erhöhe den 25OHD-Spiegel um 14 nmol/l.

Folgen von Vitamin-D-Mangel

Mögliche Folgen eines Vitamin-D-Mangels sind außer Rachitis bekanntlich eine Osteomalazie mit Symptomen wie etwa Schmerzen und ein erhöhtes Sturz- und Fraktur-Risiko. Laut Zittermann und Pilz gibt es auch Belege dafür, dass ein Vitamin-D-Defizit mit einer Zunahme der Mortalität einhergehe. Und: Anders als das „Institute of Medicine“ (IOM) in den USA sehen „die D-A-CH-Ernährungsgesellschaften auch wahrscheinliche Evidenz dafür, dass eine gute Vitamin-D-Versorgung die Mortalität im Alter reduziert“, schreiben Zittermann und Pilz. Nach ihren Angaben verdichten sich mittlerweile diese Erkenntnisse sogar. So habe eine Metaanalyse von prospektiven Kohorten-Studien gezeigt, dass das Mortalitäts-Risiko bei 25OHD-Konzentrationen von 75 – 87,5 nmol/l ein Minimum erreiche und am höchsten bei defizitär versorgten Personen sei. Ein Cochrane-Auswertung von randomisierten, kontrollierten Studien habe ergeben, das Vitamin-D-Supplemente (mit und ohne gleichzeitiger Kalziumgabe) bei vorwiegend älteren Personen das relative Mortalitäts-Risiko um sechs Prozent reduzierten. Bei ca. 800 000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland und einer hohen Prävalenz an insuffizient oder defizitär mit Vitamin-D-versorgten älteren Menschen sei demnach das Potenzial beträchtlich, die Mortalität zu senken, bemerken die Stoffwechsel-Experten.

Darüber hinaus gebe es Hinweise dafür, dass Vitamin D vor Atemwegsinfekten schütze. Und erst kürzlich wurde berichtet, dass der Zusatz von Vitamin D zur Nahrung Patienten mit leichtem bis mittelschwerem Asthma vor Asthma-Attacken bewahren kann. Außerdem hatten die Patienten erkennbar weniger Asthma-Anfälle, die eine Behandlung mit Steroiden erforderten.

Noch ungeklärt sei, ob Vitamin D kardiovaskulären Erkrankungen entgegenwirke, so ein Autoren-Team um Stefan Pilz. Insgesamt sei zu konstatieren, dass der Einfluss von Vitamin D auf das kardiovaskuläre Risiko noch unklar sei, lautet auch ein Fazit von Dr. Florian Schlereth und Professor Klaus Badenhoop von der Universitätsklinik in Frankfurt am Main in einem aktuellen Beitrag . Außerdem: Selbst wenn Vitamin D bei kardiovaskulären Krankheiten einen klinisch relevanten Effekt hätte, wäre dieser allerdings vermutlich recht gering, schreiben Pilz und seine Kollegen. Diskutiert wird darüber hinaus, ob Vitamin D das Altern bremsen und mit dem Altern einhergehenden Erkrankungen entgegenwirken kann, etwa dem Morbus Alzheimer, der Parkinson-Erkrankung und auch Tumoren. Im Gespräch sind auch Therapie-Effekte bei Kindern mit Autismus . Insgesamt sind allerdings noch viele Fragen bei den nicht-ossären Wirkungen von Vitamin D ungeklärt.

Empfehlungen zur Vitamin-D-Zufuhr

Erstaunlich sei, dass es trotz der Bedeutung der kutanen Vitamin-D-Synthese nur wenige offizielle Empfehlungen zur Sonnenexposition gebe, bemerken Zittermann und Pilz. In Deutschland empfehle seit einigen Jahren die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin eine Sonnenexpositions-Dauer in den Monaten April bis September von 5–30 Minuten 2-mal pro Woche zwischen 10 und 15 Uhr mit unbedecktem Kopf, freien Armen und Beinen. Welche Vitamin-D-Menge wird nun empfohlen? Gegenüber früheren Empfehlungen seien die Werte der deutschsprachigen und nordamerikanischen Ernährungsgesellschaften deutlich (um den Faktor 3 – 4) erhöht worden, berichten die beiden Autoren. Für Erwachsene betrügen die Werte 15 – 20 μg/Tag (1μg=40 internationale Einheiten). Noch höher seien die Mengen, die die Endokrinologen-Gesellschaft ( „Endocrine Society“) empfehle: Dies sei „insofern konsequent, als diese Gesellschaft auch die untere Grenze für adäquate 25OHD-Konzentrationen mit 75 nmol/l höher ansetze als die beiden Ernährungsgesellschaften (50 nmol/l).

Ausgleich über Supplemente ratsam

Doch selbst die Menge von 20 µg/Tag wird von vielen Menschen nicht erreicht: So liege in der Allgemeinbevölkerung die kutane Vitamin-D-Synthese im Sommer und Winter durchschnittlich in der Größenordnung von 12,5 – 15 µg/Tag bzw. 0 µg/Tag. Auch die zusätzlich mit der Nahrung aufgenommene Menge von 2,2 – 2,9 µg/Tag fülle diese Lücke nicht. Daraus folgt nach Angaben der beiden Stoffwechsel-Spezialisten: Ein Ausgleich über Supplemente ist sinnvoll. Bei fehlender UVB-Exposition sei die tägliche Einnahme eines Vitamin-D-Präparats in Höhe von 20 μg die effektivste Maßnahme, eine adäquate Vitamin-D-Versorgung sicherzustellen.

Welche Mengen sind sicher? Die „Endocrine Society“ sehe tägliche „Zufuhrmengen an Vitamin D bis zu 250 μg als sicher an“. Das IOM betrachte ebenfalls 250 μg als die tägliche Menge, bei der klassische Vitamin-D-Intoxikationen auszuschließen seien. Das IOM habe jedoch einen zusätzlichen Sicherheitsfaktor von 2,5 eingefügt und damit den oberen tolerablen Wert bei 100 μg/Tag festgesetzt. Hierbei werde berücksichtigt, dass möglicherweise nicht klassische, unerwünschte Vitamin-D-Wirkungen schon bei geringerer Vitamin-D-Zufuhr auftreten könnten. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit habe die obere Tages-Dosis, die als sicher anzusehen sei, ebenfalls bei 100 μg festgesetzt.

QUELLE: http://www.univadis.de/im_diskurs/178/Triste-Zeiten-fuer-das-Sonnen-Hormon?bt=1&utm_source=newsletter+email&utm_medium=email&utm_campaign=imdiskurs_email1_uniannouncement_ger-de_20161127&utm_content=1159808&utm_term=manual_161127

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