Macht die Darmflora unsere Leber krank?

Assoz. Prof. Dr. med. Vanessa Stadlbauer-Köllner

Macht die Darmflora unsere Leber krank?

Univ.-Prof. Dr. Vanessa Stadlbauer-Köllner

Assoz. Prof. Dr. med. Vanessa Stadlbauer-Köllner*

Die Leberzirrhose als Endstadium vieler chronischer Lebererkrankungen ist im Zunehmen begriffen. Bei Leberzirrhose ist die Darmflora massiv in ihrer Zusammensetzung gestört. Mittels moderner Labortechniken konnten eine Verminderung der Diversität – also der Vielfältigkeit – und ein Überwiegen von gesundheitsschädigenden Keimen nachgewiesen werden.

Auffällig ist insbesondere eine „Oralisierung“ des Darm-Mikrobioms – es finden sich typische Mundkeime in vermehrter Anzahl im Darm. Parallel dazu nimmt die Anzahl an Bakterien, denen positive Wirkungen auf den Menschen zugeschrieben werden, ab. Die Folgen solcher Veränderungen der Darmflora sind eine erhöhte Darm-Durchlässigkeit („leaky gut“) und ein Eindringen von Bakterienbestandteilen in den Kreislauf. Dadurch wird das Immunsystem der Patientinnen und Patienten chronisch überfordert und es kommt zur Entwicklung einer Immunschwäche. Dies wiederum zeigt sich dann in Form von häufigen und gefährlichen Infektionen.

Die Darm-Leber-Achse ist also sehr bedeutend in der Entwicklung einer chronischen Lebererkrankung. Aktuelle Therapiestrategien der Leberzirrhose beruhen auf der Behandlung oder Vorbeugung von Komplikationen, zum Beispiel von Blutungen aus der Speiseröhre oder von einem Leberkoma. Die Leberfunktion kann nur nachhaltig verbessert werden, wenn entweder die Ursache der Leberzirrhose – etwa Alkohol oder eine Hepatitis – behoben werden kann oder wenn eine Lebertransplantation durchgeführt wird. Es wäre daher wünschenswert, schon in einem frühen Krankheitsstadium die negativen Auswirkungen der Zirrhose zu bekämpfen.

Probiotika sind nach der Definition der WHO (Weltgesundheitsorganisation) „lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichender Menge konsumiert werden, einen gesundheitsfördernden Effekt haben“. Sie können über direkte und indirekte Mechanismen die Darm-Leber-Achse positiv beeinflussen. Zum Beispiel können probiotische Keime andere gesundheitsschädigende Keime verdrängen, die Darmbarriere stärken und ausgleichend auf das Darmimmunsystem wirken.

Die Leberfunktion der Patientinnen und Patienten hat sich, vor allem wenn die Erkrankung schon weiter fortgeschritten war, signifikant verbessert.

Bei Leberzirrhose gibt es positive Berichte, dass Probiotika die Entstehung und den Schweregrad des Leberkomas günstig beeinflussen können. An der Med Uni Graz untersuchten wir daher die Wirkung eines Probiotikums bei Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose. Wir führten eine doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Studie durch. Das bedeutet, dass die Hälfte der Patientinnen und Patienten das echte Probiotikum bekam, die andere Hälfte ein gleich aussehendes und schmeckendes Produkt, das aber keine wirksamen Bakterien enthielt. Wir untersuchten die Auswirkungen auf das Darmmikrobiom auf die Darm-Leber- Achse und die Leberfunktion. Wir untersuchten 101 Patientinnen und Patienten auf ihre Tauglichkeit für die Studie und konnten 92 davon einschließen. Die Teilnehmer bekamen für 6 Monate ein speziell entwickeltes Probiotikum, das diätetische Lebensmittel OMNi-BiOTiC® HETOX, oder ein Placebo. Danach wurden die Patienten noch für 6 Monate beobachtet. Die meisten von ihnen schlossen planmäßig ab, nur ein kleiner Teil beendete die Studie vorzeitig. Interessanterweise brach nur ein Patient in der Probiotikagruppe die Teilnahme vorzeitig ab, während die 11 anderen Studienabbrüche in der Placebogruppe zu verzeichnen waren. Dieser eklatante Unterschied könnte bedeuten, dass sich die Patienten in der Probiotikagruppe insgesamt besser fühlten und daher besser in der Lage waren, trotz ihrer chronischen Erkrankung an den Studienvisiten teilzunehmen. Auch die Einnahmegenauigkeit war exzellent, praktisch alle Säckchen mit der Studienmedikation wurden eingenommen. Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose hatten – wie befürchtet – eine stark veränderte Darmflora. Diese Veränderungen konnten durch das Probiotikum teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Außerdem zeigte sich bei denjenigen Patientinnen und Patienten, die das Probiotikum bekamen, eine Anreicherung an Milchsäurebakterien im Stuhl.

Verbesserung der Leberfunktion unter der Gabe von OMNi-BiOTiC® HETOX, gezeigt an der Reduktion erhöhter Child-Pugh-Scores (grüne Linie).

Verbesserung der Leberfunktion unter der Gabe von OMNi-BiOTiC® HETOX, gezeigt an der Reduktion erhöhter Child-Pugh-Scores (grüne Linie).

 

Das bedeutet, dass sich die probiotischen Keime zumindest für einige Zeit im Darm ansiedeln können. Das wichtigste Ergebnis unserer Studie: Die Leberfunktion der Patientinnen und Patienten, verbesserte sich signifikant, vor allem wenn die Erkrankung schon weiter fortgeschritten war. In den untersuchten Laborparametern zeigte sich außerdem eine signifikante Erstarkung der angeborenen Immunabwehr. Passend dazu erkrankten während der Therapie mit dem Probiotikum weniger Studienteilnehmer an Infektionen. Wir befragten die Patienten auch zu ihrer Lebensqualität und konnten erfreulicherweise feststellen, dass das Probiotikum zu einer Verbesserung der Lebensqualität führte. Zusammenfassend konnten wir in dieser Studie zeigen, dass Probiotika eine gute Möglichkeit sind, die Leberfunktion, die Immunfunktion und die Lebensqualität bei Leberzirrhose zu verbessern, indem sie die Darmflora günstig beeinflussen.

*Assoz. Prof. Dr. med. Vanessa Stadlbauer-Köllner, Fachärztin für Innere Medizin, Gastroenterologie und Hepatologie, Leiterin der Forschungseinheit „Transplantation Research“, Medizinische Universität Graz


 

Lebererkrankungen

Jeder 370. Mensch hat Leberzirrhose. Diese ist mittlerweile in vielen Industrieländern unter den 10 häufigsten Todesursachen zu finden. Viele wissen nichts von der Diagnose Leberzirrhose, da die Beschwerden oft unspezifisch sind – zum Beispiel Müdigkeit, Leistungsknick und Appetitlosigkeit. Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose sterben häufig an Komplikationen wie Leberkoma, Nierenversagen, Blutungen oder Leberkrebs. Leberkrebs entsteht fast immer auf dem Boden einer Leberzirrhose und kann nur bei frühzeitiger Erkennung geheilt werden. Alkohol, Fettleibigkeit und chronische Virushepatitis sind die häufigsten Ursachen für Leberzirrhose. Männer sind doppelt so oft davon betroffen wie Frauen. Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose müssen sich mindestens alle 6 Monate untersuchen lassen. Dabei muss neben einer Blutuntersuchung auch ein Ultraschall der Leber durchgeführt werden, um Leberkrebs frühzeitig zu erkennen. Ist die Leberzirrhose weit fortgeschritten, hilft oft nur noch eine Lebertransplation.

Was tut der Leber gut – was schadet ihr?

Die Leber ist ein Entgiftungs- und Stoffwechselorgan. Alles, was wir zu uns nehmen, ob Nahrung, Medikamente oder Giftstoffe wie Alkohol, muss von der Leber abgebaut werden. Entgiftungskuren mit pflanzlichen Heilmitteln können oft mehr schaden als nutzen, da pflanzliche Produkte hohe Wirkstoffkonzentrationen enthalten können und in der Leber manchmal zu noch giftigeren Stoffwechselprodukten umgewandelt werden. Bei Leberschäden ist es am besten, die Leber so wenig wie möglich zu belasten.

Besser vermeiden:

  • Alkohol und seine Abbauprodukte schaden der Darmflora, der Darmbarriere und der Leber selbst.
  • Fettes und zuckerreiches Essen erhöht die Darmdurchlässigkeit und führt zur Verfettung und Entzündung der Leber.
  • Viele Medikamente werden in der Leber abgebaut und sollen daher mit Bedacht eingesetzt werden (zum Beispiel Antibiotika und Schmerzmittel).
  • Auch pflanzliche Heilmittel oder Nahrungsergänzungsmittel enthalten aktive Wirkstoffe und müssen so wie Medikamente mit Bedacht eingesetzt werden.

Das tut der Leber gut:

  • Eine vielfältige Ernährung hilft dabei, die Darmflora und somit die Darm-Leber-Achse gesund zu halten, einseitige Diäten schränken die Bakterienvielfalt ein.
  • Ausdauersport führt zum Abbau der Leberverfettung.
  • Kaffee kann die Leberwerte verbessern und eventuell die Vernarbung der Leber verhindern.

Enge Verbindung zwischen Darm und Leber: Alle Nährstoffe (und zum Teil auch Giftstoffe), die im Zuge der Verdauung über den Darm aufgenommen werden, gelangen über die Pfortader (Vena portae) zunächst direkt in die Leber. Hier können die resorbierten Stoffe je nach Bedarf gleich verwertet, umgewandelt oder gespeichert werden – und Giftstoffe werden abgebaut, bevor sie über unseren Blutkreislauf weiter in den gesamten Körper vordringen können.

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Unser hochqualifiziertes Beratungsteam, bestehend aus Ärzten, Apothekern, Biologen, Ernährungsfachleuten und Mikrobiologen steht für Auskünfte rund um den Darm und seine mikroskopisch kleinen Bewohner gerne zur Verfügung.

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