Thore Hansen
Mehr Ballaststoffe für die (Darm-)Gesundheit
Ballaststoffe sind gesund und gut für die Verdauung – so viel wissen die meisten mittlerweile über diese Faserstoffe. Doch trotz ihrer Bedeutung für die Gesundheit sind sie bei weitem nicht in aller Munde: Im Verhältnis zu früheren Zeiten nehmen wir im Durchschnitt nicht einmal mehr die Hälfte an Ballaststoffen zu uns. Das hat Konsequenzen für unsere Gesundheit – und ganz besonders für unseren Darm. Ein Mangel an diesen pflanzlichen Stoffen kann nicht nur Verdauungsprobleme nach sich ziehen, sondern auch eine Reduktion wichtiger Bifidobakterien und Laktobazillen im Darm, deren Lebensgrundlage spezielle Ballaststoffe bilden.
Hand aufs Herz! Wieviel Gemüse, Obst, Vollkornbrot oder Haferflocken stehen auf Ihrem Speiseplan? Ballaststoffe kommen fast ausschließlich in pflanzlichen Lebensmitteln vor. Oft ist aber ihr Anteil auf unseren Tellern im Verhältnis zu Fisch, Fleisch und Eiern viel zu gering. Auch Käse und andere Milchprodukte enthalten kaum bis keine Ballaststoffe. Die Folge ist, dass wir mit Ballaststoffen zu wenig versorgt sind. Doch das war nicht immer der Fall: In unseren westlichen Breitengraden stand früher deutlich mehr Getreide in Form von Brei, Suppen und vor allem hochwertigem Brot auf dem Speiseplan. Diese Speisen waren reich an Ballaststoffen, bis begonnen wurde, bei der Mehlproduktion die faserreiche Schale der Getreidekörner auszusieben. Auch war die Ernährung deutlich gemüselastiger und stark verarbeitete Lebensmittel oder Fertiggerichte waren Fremdwörter – der Verzehr an Ballaststoffen lag im Durchschnitt bei 80 Gramm pro Tag. Heute sind es durchschnittlich nur noch 25 Gramm bei Männern bzw. 23 Gramm bei Frauen, wie sich der Nationalen Verzehrsstudie II entnehmen lässt.
Dabei wäre es für die Gesundheit wichtig, diese Faserstoffe in ausreichender Menge zu konsumieren, denn sie sind für den Körper kein „Ballast“ – ganz im Gegenteil: Personen mit Diabetes Typ 2 profitieren gleich mehrfach von Ballaststoffen, da diese den Blutzuckerspiegel viel langsamer ansteigen lassen. Außerdem quellen die Faserstoffe im Darm auf und sättigen dadurch. Der Blutdruck lässt sich ebenfalls regulieren, denn die Ballaststoffe werden im Darm unter anderem zu Propionsäure abgebaut. Diese wirkt wiederum direkt auf das Immunsystem ein, insbesondere auf jene Zellen, die den Bluthochdruck mitverursachen. Offensichtlicher ist die Wirkung von Ballaststoffen auf Verdauungsprobleme wie Verstopfung – sicher haben auch Sie schon gehört, dass Trockenpflaumen (dank ihres hohen Gehalts an Faserstoffen) den Darm in Schwung bringen. Doch was genau „bewegen“ Ballaststoffe im Körper?
Ballaststoffe sind wichtig für die Verdauung
Etwa 20 % der Bewohner Deutschlands haben zumindest gelegentlich Probleme mit dem großen Geschäft, mit zunehmendem Alter steigt die Häufigkeit der Verstopfung an. Hektik im Alltag, wenig Bewegung, zu geringe Flüssigkeitszufuhr und eben ballaststoffarme Nahrung sind dafür hauptverantwortlich. Dabei haben Ballaststoffe eine besonders wichtige Funktion im Darm. In der Darmwand befinden sich zwei Muskelschichten (quer- und längsgestreift), deren Kontraktion den Nahrungsbrei durch den Körper bewegt. Jeder Muskel braucht jedoch Reize, um zur Arbeit motiviert zu werden. Da kommen die Ballaststoffe ins Spiel: Sie quellen durch Flüssigkeit auf und vergrößern das Stuhlvolumen. Dadurch ist der Darm gut gefüllt und die Muskeln rund um den Darm werden angespornt, den Inhalt weiter zu transportieren. Doch Ballaststoff ist nicht gleich Ballaststoff: Wichtig ist die Unterscheidung in lösliche Ballaststoffe und unlösliche Ballaststoffe. Bei der Unterscheidung geht es um die Löslichkeit in Wasser, welche die Eigenschaften und Funktionen der jeweiligen Ballaststoffe beeinflusst. Wasserlösliche Ballaststoffe wie Inulin und Pektin „verlieren“ in Flüssigkeit ihre Struktur. Sie binden Wasser und bilden Gele (wie z. B. Lein-, Floh-, oder Chiasamen), was dem Stuhl eine gute Gleitfähigkeit verleiht. Fast noch wichtiger ist, dass sie den Darmbakterien als „Futter“ dienen und dadurch die Vermehrung und Vielfalt vor allem von Bifidobakterien und Laktobazillen fördern. Auch die Produktion an kurzkettigen Fettsäuren wird dadurch angekurbelt – doch dazu später mehr. Die unlöslichen Ballaststoffe hingegen (z. B. Lignin, Zellulose) kommen vor allem in Vollkornprodukten vor und werden von der Darmflora nur geringfügig abgebaut. Dadurch behalten sie ihre quellenden Eigenschaften und ihren Einfluss auf das Stuhlvolumen bis zum Rektum bei – und können bei Verstopfung (in Verbindung mit einer ausreichenden Trinkmenge) meist Abhilfe schaffen.
Ballaststoffe sind der „Brennstoff“ für Bakterien
Ballaststoffe dienen aber nicht nur dem Darm als Anregung für mehr „Bewegung“, sondern, wie erwähnt, vor allem den Darmbakterien als Nahrungsgrundlage. Studien zeigen klar, dass Ballaststoffe als wichtiger Bestandteil einer gesunden Ernährung die Fähigkeit besitzen, das Darmmikrobiom positiv zu modulieren. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Ballaststoffe im Dünndarm nicht verdaut werden können und somit unverändert in den Dickdarm gelangen – jenen Abschnitt des Gastrointestinaltraktes, der am dichtesten mit Bakterien besiedelt ist. Stehen den Darmbakterien zu wenige Ballaststoffe als Lebensgrundlage zur Verfügung, bedienen sie sich entweder der schützenden Schleimschicht des Darms als Nahrung – oder sie sterben ab. Die verringerte Anzahl und Vielfalt der Bakterien im Darm hat unter anderem zur Folge, dass weniger wichtige Nährstoffe aus der Nahrung aufgenommen werden können. Das kann aufgrund der verminderten Qualität und Nährstoffvielfalt unserer Lebensmittel auf Dauer ein Problem für den gesamten Organismus darstellen. Außerdem wird die Produktion von wichtigen kurzkettigen Fettsäuren eingeschränkt (z. B. von Butyrat, das den Zellen der Darmschleimhaut als Energiequelle dient). Die meisten abgestorbenen Darmbakterien können jedoch nicht wieder einfach zugeführt werden – sie sind nämlich anaerob, das heißt, sie vertragen keinen Sauerstoff und können deshalb nicht gezüchtet und in Form eines Probiotikums eingenommen werden. Jedoch ist es möglich, für wichtige Bakterien im Darm eine bessere Lebensgrundlage zu schaffen, indem man ihnen geeignete Ballaststoffe als Nahrung gezielt zur Verfügung stellt. Das gelingt, indem man die Ernährung mit ballaststoffreichen Lebensmitteln aufwertet oder die Faserstoffe in Form von Präbiotika ergänzt. Doch Achtung: Ein plötzlicher, extremer Anstieg an Faserstoffen kann anfangs zu Verdauungsproblemen führen. Wer sich lange ballaststoffarm ernährt hat, sollte den Ballaststoffanteil in der Ernährung schrittweise erhöhen – so kann sich der Verdauungsapparat langsam an die Umstellung gewöhnen. Gleichzeitig ist – aufgrund der wasserbindenden Eigenschaften – auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten. In seltenen Fällen stehen Ballaststoffe nicht auf dem Speiseplan: Bei akuten Magen-Darm-Entzündungen, vor einer Darmspiegelung und nach Operationen sollten Ballaststoffe vorübergehend gemieden und die Ernährung auf ballaststoffarme Schonkost umgestellt werden – welche Lebensmittel in diesen Fällen geeignet sind, weiß der behandelnde Arzt.
„Nahrung“ mit unterschiedlichen Effekten auf die Verdauung
Unsere Teller sollten möglichst bunt sein, um der Darmflora möglichst viele verschiedene Ballaststoffe als Nahrung anzubieten, denn verschiedene Faserstoffe lösen im Verdauungstrakt unterschiedliche Effekte für unsere Gesundheit aus.
Pektin, der Hauptbestandteil der Zellwände von Pflanzen und Früchten, bindet ein Vielfaches seiner Masse an Flüssigkeit und ruft wegen dieser besonders stark quellenden Eigenschaft im Magen ein Sättigungsgefühl hervor. Es dient vor allem dem Wachstum von Bacteroidetes und im Speziellen von Faecalibacterium prausnitzii. Auch Inulin und Fructooligosaccharide kurbeln die Vermehrung dieses Bakteriums stark an. Faecalibacterium prausnitzii gilt als das am häufigsten vorkommende Bakterium im menschlichen Darm von gesunden Erwachsenen und macht mehr als 5 % der gesamten Bakterienpopulation aus. Bedenkt man, dass mehrere hundert verschiedene Bakterienarten den Darm besiedeln, ist das ein enormer Anteil! Bei Personen mit verschiedenen Darmerkrankungen, insbesondere beim Reizdarmsyndrom, kommt dieses Bakterium jedoch nur stark vermindert vor – daher ist es ein guter Indikator für die Darmgesundheit. Die wohl wichtigste Eigenschaft von Faecalibakterium prausnitzii ist die Produktion von Butyrat. Butyrat zählt zu den kurzkettigen Fettsäuren und ist ein Schlüsselelement für die Darmgesundheit: Mehr als 70 % des Energiebedarfs der Zellen in der Darmschleimhaut werden durch Butyrat gedeckt und dadurch die Darmbarriere gestärkt. Außerdem hat Butyrat entzündungshemmende Eigenschaften und ein chronischer Mangel an dieser Fettsäure wird mit der Entstehung von Diabetes Typ 2, Fettleibigkeit oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Insgesamt gibt es laut Studien über 20 verschiedene Bakterienarten, die Butyrat produzieren.
Der „Hunger“ der Darmbakterien wird auch von resistenter Stärke gestillt: Stärke ist ein Hauptbestandteil der menschlichen Ernährung und kommt in Form von Stärkekörnern in Kartoffeln, Getreide, Mais, Reis, Bananen etc. vor. Welche Eigenschaften die Stärke hat, hängt mit der Geschwindigkeit und dem Ausmaß der Verdauung zusammen. Die für die Darmbakterien wichtige Form ist die resistente Stärke, die im Dünndarm nicht verdaut werden kann, sondern unverändert den Dickdarm erreicht und hier von den Darmbakterien verstoffwechselt wird, wodurch kurzkettige Fettsäuren wie Acetat, Propionat und vor allem wieder Butyrat entstehen. Wird verdauliche Stärke in der Nahrung durch resistente Stärke ersetzt, lässt dies außerdem den Blutzuckerspiegel nach dem Essen weniger stark ansteigen.
Einer der aktuell am besten erforschten Ballaststoffe ist das Guarkernmehl aus dem Samen der indischen Guarpflanze. Vor seiner Verwendung als Präbiotikum durchläuft das Guarkernmehl einen speziellen Verarbeitungsprozess, bei dem Enzyme beigemischt werden. Durch diese „Teilhydrolyse“ wird das Guarkernmehl für die Bakterien im Darm verwertbar. Außerdem sind die Moleküle des teilhydrolisierten Guarkernmehls um das Zehnfache kleiner – das verleiht diesem Präbiotikum die Eigenschaft, dass es sich vollständig in Flüssigkeit auflösen lässt, ohne den Geschmack oder die Konsistenz zu verändern. Das Präbiotikum zeichnet sich außerdem durch eine besonders gute Verträglichkeit aus und kann sowohl bei Verstopfung als auch bei Durchfall eingesetzt werden. Es stimuliert das Wachstum von Bifidobakterien und Laktobazillen, die wiederum kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat produzieren. Anders als ihr Name es vermuten lässt, sind Ballaststoffe also keine Belastung für den Körper – ganz im Gegenteil, sie unterstützen unsere Gesundheit auf vielfältige Art und Weise.
Was sind Ballaststoffe eigentlich?
Ballaststoffe sind längerkettige Kohlenhydrate, die für den menschlichen Organismus nicht verwertbar sind. „Nicht verwertbar“ bedeutet, dass der Körper Ballaststoffe mit Hilfe von Enzymen nicht aufspalten und aufnehmen kann. Sehr wohl können Ballaststoffe aber von Darmbakterien fermentiert werden. Dabei entstehen unter anderem kurzkettige Fettsäuren, die für die Gesundheit eine wichtige Rolle spielen. Sie kommen vorwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln vor, besonders gehäuft in Schalen bzw. faserreichen Bestandteilen (z. B. Schalen von Getreide, Äpfeln etc.) In Deutschland weisen 75 % der Frauen und 68 % der Männer eine Ballaststoffzufuhr unter der von Ernährungsgesellschaften empfohlenen Menge von mindestens 30 Gramm pro Tag auf.
Folgende Lebensmittel sind ballaststoffreich:
- Hülsenfrüchte und Kerne: Kichererbsen, Erbsen, Linsen, Sojabohnen, weiße Bohnen, Kokosraspeln, Chiasamen, Leinsamen, Flohsamenschalen
- Getreide: Mais, Haferflocken, Amaranth, Vollkornmehl (Weizen, Roggen), Kleieflocken
- Gemüse: Artischocken, Topinambur, Schwarzwurzel, Kohl, Karotten
- Obst (mit Schale): Äpfel, Birnen, Beerenfrüchte, getrocknetes Obst (Pflaumen, Aprikosen)